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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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barschen Blick zu.Wir waren soeben vor unserer Haustür aus der Kutsche gestiegen, und ich hatte noch nicht die Abstellkammer betreten, um den Tchador abzulegen, als meine Mutter ungeduldig schrie, »Dadde Chanum, sag Firuz Chan, er soll dem Heizer ausrichten, daß er morgen früh kommt und das Hammam anheizt. Und du selbst lauf und richte Aqa Beygum aus, daß wir morgen das Hammam anheizen, damit sie kommt und die Kinder badet. Und falls sie Fisimatenten machen sollte, von wegen, sie habe Kunden und so weiter, gib einer der anderen Arbeiterinnen Bescheid, daß sie kommt. Egal welche, ich hab keine Lust, jemanden zu hofieren.«
    Meine Mutter konnte Staub und Dreck nicht ausstehen. Insbesondere wenn wir ins Dorf oder in den Garten fuhren, plagte sie diese Marotte. Vermutlich wurde das kleine Hammam unseres Hauses häufiger angeheizt als jedes andere. Und meist kam Aqa Beygum, die Badewärterin, die für ihre Geschicklichkeit im Abschrubben berühmt war, zum Waschen in unser häusliches Hammam .
    Chodjasteh packte mich am Arm, zog mich, während wir den Tchador ablegten, in die Abstellkammer und schloß die Tür. Die Schritte meiner Mutter, die aus dem Hof ins Andaruni zurückkehrte und die Stufen hochstieg, kamen mit jedem Augenblick näher. Hastig fragte Chodjasteh, »Was ist geschehen, Mahbube? Weshalb ist Mansur auf einmal wie verhext?« Während ich den Tchador abnahm und seelenruhig zusammenfaltete, sagte ich, »Du hast dir den günstigsten Moment ausgesucht. Jetzt kann ich doch nicht sprechen. Gleich wird Chanum Djan erscheinen. Warte bis heute nacht, vor dem Einschlafen werde ich dir…«
    Die Tür der Abstellkammer mit dem Kuppeldach öffnete sich und schlug heftig an die Wand. Als erste trat meine Mutter wütend ein und hinter ihr die Amme mit dem Kind auf dem Arm. Chodjasteh zog sich überrascht und erschreckt in einen Winkel zurück. Meine Mutter kam direkt auf mich zu. Ich wollte fliehen, als sie mir die Hand heftig vor die Brust stieß. Ich fiel auf die Holztruhe mit den unvernähten Stoffen und blieb gezwungenermaßen sitzen. Meine Mutter fragte, »Wohin? Setz dich gefälligst! Was hast du Mansur gesagt, daß er es sich anders überlegt hat?«
    Die Amme betrachtete die Szene fassungslos und mit offenem Mund und verstand nichts. Verschreckt antwortete ich, »Nichts, Chanum Djan. Bei Gott, nichts.«
    »Weshalb ist er dann plötzlich vom Heiraten abgekommen?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    Sie bückte sich und packte mit beiden Händen die Haut meiner Oberschenkel durch das Kleid und kniff mich mit aller Kraft. »Woher du das wissen sollst? Überall hast du Feuer geschürt. Glaubst du, ich merke das nicht? Willst du mich hinters Licht führen? Du weißt es nicht? Soso, du weißt es nicht!«
    Sie verdrehte mir dermaßen die Haut, daß mir schwindelte und ich schrie, »Aua, du reißt mir das Fleisch vom Leib, Chanum Djan!«
    »Das habe ich gut gemacht. So sehr ich mich auch zurückhalte, so wenig ich es mir anmerken lasse…« Sie ließ meine Oberschenkel los und attackierte meine Unterarme, die ich auf den Rock gelegt hatte. Sie kniff mir ins Fleisch und drehte. »Hast du es auf unseren Ruf abgesehen? Willst du deinen Vater umbringen? Wieviel Zornmilch soll ich diesem armen Kind noch zu trinken geben? Du hast uns um unseren Ruf gebracht. Hast uns mit Schande übergossen.«
    Vor Schmerz zog ich den Kopf zwischen die Schultern. Ich hatte mich zusammengerollt und schrie, »Aua, Chanum Djan.«
    Chodjasteh bettelte, »Chanum Djan, du wirst sie noch umbringen. Du hast ihr das Fleisch ausgerissen.«
    Als wäre meine Mutter wahnsinnig geworden. Die Amme sagte in einem fort, »O weh, Chanum Djan, lassen Sie sie los. Sie bringen sie um.«
    Sie drehte sich im Kreis. Sie wollte meine Mutter aufhalten, trug jedoch Manuchehr auf dem Arm. Die sagte, ohne auf Manuchehr zu achten, der vor Angst kreischte und schrie, »Dachtest du, ich hätte es nicht bemerkt? Willst du mich beschwindeln? Gott segne Mansurs Vater, daß er unseren Ruf gewahrt hat. Daß er nicht alles aufgedeckt hat. Asche auf mein Haupt. Was in aller Welt soll ich tun, wenn die Frau deines Onkels es merkt? Sie wird die ganze Welt unterrichten. Noch ist es nicht zu spät. Sie wird es schließlich merken. Gott laß mich sterben, damit ich erlöst werde.«
    Dieses Mal packte sie meine Oberarme und kniff in beide. Sie riß dermaßen an meinem Fleisch, daß ich mich vor Schmerz halb von der Truhe erhob. Ich war wirklich nah dran, ohnmächtig zu werden.

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