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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Officer Morgan an die Tür klopfen gehört?« fragte die Richterin den Zeugen.
    »Nein, Euer Ehren«, antwortete Homer, worauf ich hinten im Saal ein leises Kichern hörte. Ich dankte Gott, daß nur ein paar Zuhörer anwesend waren und sich keine Polizisten darunter befanden.
    »Hat Officer Morgan irgend etwas gesagt, während Sie ihn beobachteten?« fragte der Verteidiger.
    »Nein, er hat nichts gesagt.«
    »Wie lange haben Sie ihn etwa beobachtet?«
    »Zwei, drei Minuten – vielleicht auch länger. Er kniete nieder und versuchte durchs Schlüsselloch zu sehen. Aber vor zwei Jahren habe ich alle Schlüssellöcher wegen der Hoteldiebe und Spanner und diesem ganzen Gesindel zustopfen lassen.«
    »Haben Sie … Glauben Sie, daß Officer Morgan etwas gesagt hat, während Sie die Treppe hochstiegen?«
    »Nein, ich habe ihn die ganze Zeit nichts sagen hören.« Homer machte inzwischen einen recht verwirrten Eindruck, da aus meiner Miene wohl unmißverständlich zu erkennen war, daß irgend etwas ganz und gar nicht stimmte und ich mit dem Lauf der Dinge alles andere als zufrieden war.
    »Und was hat er dann getan?«
    »Er hat die Tür geöffnet, mit dem Schlüssel.«
    »Wie hat er sie geöffnet? Sehr rasch?«
    »Ich würde eher sagen, vorsichtig. Er hat ganz vorsichtig den Schlüssel umgedreht, und dann zog er seine Pistole. Er drehte am Türknopf, stieß die Tür auf und stürzte mit vorgehaltener Pistole ins Zimmer.«
    »Haben Sie die beiden Männer dann reden gehört?«
    »Ja, sicher.« Homer entblößte kichernd seine schlechten, fleckigen Zähne. »Officer Morgan hat Mr. Landowne angeschrien.«
    »Was hat er zu ihm gesagt? Können Sie sich an den genauen Wortlaut erinnern?«
    »Er hat gesagt: ›Bleib stehen, du Arschloch, oder du kannst deine einzelnen Bestandteile von der Tapete kratzen.‹«
    Ich hörte alle drei Zuhörer gleichzeitig auflachen, während die Richterin und der Staatsanwalt das keineswegs lustig zu finden schienen. Letzterer dürfte wohl inzwischen genauso geknickt ausgesehen haben wie ich.
    »Sind Sie auch in das Zimmer gegangen?«
    »Ja, ganz kurz.«
    »Haben Sie dort etwas Ungewöhnliches bemerkt?«
    »Nein. Officer Morgan hat mich wieder hinausgeschickt und mir gesagt, ich soll in meine Wohnung hinuntergehen.«
    »Ist Ihnen aufgefallen, ob etwas auf der Kommode lag?«
    »Nein, mir ist nichts aufgefallen.«
    »Haben Sie Officer Morgan und den Angeklagten sonst noch etwas reden hören?«
    »Nein.«
    »Überhaupt nichts?«
    »Officer Morgan hat ihn noch vor irgend etwas gewarnt.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Daß Mr. Landowne keine dummen Tricks machen soll – irgendwas in der Art. Ich ging ja in diesem Moment schon wieder aus dem Zimmer.«
    »Was hat er wörtlich gesagt?«
    »Na ja, ich weiß nicht so recht, ob ich das hier wiederholen kann.«
    »Wir sind doch lauter erwachsene Menschen. Also, was hat Officer Morgan gesagt?«
    »Er sagte: ›Jetzt steh mal schön von deinem Stuhl auf, sonst steck ich dir meine Knarre so tief in den Arsch, daß noch am Griff Scheiße klebt.‹ Das hat er gesagt. Entschuldigung.« Homer lief rot an, kicherte nervös und wandte sich mit einem entschuldigenden Achselzucken zu mir.
    »Saß der Angeklagte auf einem Stuhl?«
    »Ja.«
    »Hat Officer Morgan dabei von seiner eigenen Pistole gesprochen?«
    »Einspruch.« Der Staatsanwalt sprang auf.
    »Ich kann die Frage auch anders stellen«, konterte der Verteidiger. »Hielt Officer Morgan zu besagtem Zeitpunkt seine eigene Waffe in der Hand?«
    »Ja.«
    »Haben Sie währenddessen auch die andere Pistole gesehen?«
    »Nein, die andere Waffe habe ich nie gesehen.«
    Der Verteidiger zögerte für eine tödlich lange Minute und kaute am Ende seines Bleistifts, so daß ich fast laut aufgestöhnt hätte, als er schließlich das Schweigen brach und sagte: »Ich habe keine weiteren Fragen mehr.« Es war allerdings schon viel zu spät, und deshalb konnte ich keine Erleichterung empfinden.
    »Aber ich hätte eine Frage«, ergriff Richterin Redford das Wort und rückte die Brille auf ihrer schmalen Nase zurecht. »Haben Sie sich an jenem Morgen in der Eingangshalle aufgehalten, bevor Officer Morgan ins Hotel kam, Mr. Downey?«
    »Nein.«
    »Sie sind also nie dort gewesen, und Sie haben auch nicht zufällig einmal von Ihrem Büro aus einen Blick dorthin geworfen?«
    »Nein, nur als Officer Morgan seinen Wagen vor dem Hotel parkte. Ich war neugierig, was er vorhatte, und wollte meine Wohnung eben verlassen, als ich Officer Morgan

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