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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Hand, wozu ich ›Shukran‹ flüsterte, und dies in einem Ton, daß man nicht Arabisch zu verstehen brauchte, um zu wissen, daß das ›Danke‹ bedeutete.
    »Wenn du mich weiterhin so großartig bekochst, schaffst du es vielleicht, daß ich eines Tages den Glauben wechsle. Womöglich werde ich doch noch Moslem.«
    »Was würdest du denn während des Ramadan machen, wenn du fasten müßtest?« fragte Yasser lachend.
    »Hast du schon gesehen, wie groß Abds Kinder sind?« Yasser hob seine Schürze, um seine Brieftasche hervorzuholen. Er legte ein paar Fotos vor mir auf den Tisch, und ich tat natürlich so, als sähe ich auch, was darauf abgebildet war.
    »Ja, wirklich süße Kinder«, lobte ich und hoffte zugleich, er würde mir nicht alle seine Enkel zeigen, von denen er etwa dreißig hatte. Wie alle Araber war er ganz verrückt nach Kindern.
    Ahmed sagte etwas in Arabisch, das offensichtlich mit dem Konferenzraum zu tun hatte, und Yasser schien sich an etwas zu erinnern.
    »Entschuldige mich bitte für eine Weile, Bumper. Ich muß leider wieder in die Küche. Aber ich schaue dann später noch mal vorbei.«
    »Aber sicher, Baba«, beruhigte ich ihn. Lächelnd beobachtete Ahmed seinen Vater, als dieser in die Küche zurückging, das stolze Haupt einer großen Familie und der Leiter eines gutgehenden Lokals.
    »Wie alt ist dein Vater jetzt eigentlich?«
    »Fünfundsiebzig«, erwiderte Ahmed. »Dafür sieht er doch noch verdammt gut aus, oder nicht?«
    »Das kann man wohl sagen. Ißt er eigentlich immer noch so gern und viel wie vor, sagen wir mal, zehn oder fünfzehn Jahren?«
    »Er hat immer noch einen recht ordentlichen Appetit. Aber natürlich nicht mehr ganz so wie früher. Er hat ja mal so viel gegessen wie du, Bumper. Es war eine wahre Wonne, ihm beim Essen zuzusehen. Aber er meint, das Essen würde einfach nicht mehr so schmecken.«
    Mein Magen machte sich wieder bemerkbar, aber ich wollte keine Tablette nehmen, weil ich das Ahmed gegenüber nach einem so erstklassigen Abendessen als unhöflich empfunden hätte.
    »Es muß schon schrecklich sein, wenn man allmählich seinen Appetit verliert«, meinte ich. »Das ist ja, als würde man kastriert.«
    »Ich kann nur hoffen, daß ich nie so alt werde.« Ahmed lachte mit der Lebensfreude und dem Selbstvertrauen eines jungen Mannes von kaum mehr als dreißig Jahren. »Außerdem gehört dazu noch etwas, vergiß das nicht – die Verdauung. Ohne die geht es einfach nicht.«
    »Da hast du allerdings recht. Wenn es mit der Verdauung nicht klappt, nützt einem der beste Appetit nichts.«
    In diesem Augenblick wurden die Lichter schwächer, und ein bläulicher Lichtpunkt tanzte über die Stelle, wo die Musiker saßen. Als erste setzten die Trommeln ein. Und dann trat zu meinem Erstaunen Laila Hammad in einem weißen und goldenen Kostüm auf die Tanzfläche. Die restlichen Musiker setzten ein, während sie sich in Positur stellte. Das kastanienbraune Haar hing über ihre Brüste herab, die Finger schlängelten und wanden sich, und die Zils, die kleinen goldenen Fingerzimbeln, schlugen gegeneinander. Lailas Hüften begannen zu den heißen Rhythmen aus Georges Darbuka -Trommeln zu schwingen. Ahmed grinste, als er sah, wie ich ihre festen, goldbraunen Schenkel bewunderte.
    »Na, wie gefällt dir unsere neue Tänzerin?«
    »Laila ist eure neue Tänzerin?«
    »Warte erst mal ab«, schlug Ahmed vor, und er hatte recht. Sie war wirklich fantastisch. Sie hatte eine Art zu tanzen, die über bloße sinnliche Bewegungen hinausging. Das konnte sogar ich sehen, obwohl ich herzlich wenig von Bauchtanz verstehe.
    »Wie alt ist sie jetzt eigentlich?« fragte ich Ahmed, während ich ihren beweglichen Bauch beobachtete und ihr herrliches Haar, das ihr jetzt den Rücken hinabhing und dann wieder über ihre wundervoll geformten Brüste glitt.
    »Neunzehn«, erwiderte Ahmed. Es war eine wahre Freude, zu sehen, wie gut sie sich entwickelt hatte.
    Laila hatte schon einige Jahre als Bedienung gearbeitet, obwohl sie dazu eigentlich noch zu jung gewesen wäre. Aber sie hatte schon immer älter ausgesehen, und ihr Vater, Khalil Hammad, ein Vetter Yassers, hatte jahrelang an Krebs gelitten, bevor er schließlich starb, und dementsprechend hoch waren auch die Krankenhauskosten gewesen. Laila war ein intelligentes, fleißiges Mädchen und half mit, für den Unterhalt ihrer drei jüngeren Schwestern aufzukommen. Ahmed hatte mir einmal erzählt, daß Laila ihre Mutter nie richtig gekannt hatte. Sie war

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