Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
Vom Netzwerk:
den Knüppel in die Halterung an der Tür, riß den obersten Zettel von meinem Notizblock, ersetzte die alten Einsatzformulare, sah nach, ob sich keine toten Liliputaner auf den Rücksitz verirrt hatten, und fuhr los. Es war einfach nicht zu fassen. Das letztemal.
    Ich schaltete den Funk ein, obwohl ich Angst hatte, ich könnte den Auftrag erhalten, mich um irgendeinen Einbruchsfall oder sonst eine Lappalie zu kümmern, bevor ich etwas im Bauch hatte. Ich hatte absolut keine Lust auf etwas Schweres, so daß ich auf der San Pedro in Richtung Süden zur Milchbar fuhr. Die Milchbar war für mich schon seit langem der beste Ort, einen Kater auszukurieren. Eigentlich war es mehr als nur eine Milchbar, da dazu noch eine Großmolkerei gehörte, deren Produkte in ganz Südkalifornien vertrieben wurden – darunter solche Leckereien wie Hüttenkäse, Buttermilch und Joghurt. Und bei einem ordentlichen Kater ist so etwas genau das richtige. Da die Milchbar noch nicht offen hatte, winkte ich dem Wächter an der Einfahrt zu, worauf dieser den Schlagbaum hochgehen ließ, so daß ich auf das Molkereigelände fahren konnte.
    Auch der Laden für die Angestellten war noch nicht geöffnet, aber ich sah einen Verkäufer, der sich bereits an der Registrierkasse zu schaffen machte. Ich klopfte ans Fenster.
    »Hallo, Bumper.« Der junge Mann sah lächelnd auf. Er hatte tiefliegende grüne Augen und dichtes schwarzes Haar. »Was darf es denn heute sein?«
    »Ein bißchen Plasma«, witzelte ich. »Aber ein wenig Joghurt wird's auch tun.«
    »Na, dann kommen Sie rein.« Er schloß mir lachend auf und ging mit mir auf die große Glastür zum Kühlraum zu, wo der Joghurt gelagert wurde. Ich nahm mir zwei Joghurts, und er gab mir einen Plastiklöffel, als ich sie auf der Theke abstellte.
    »Ist das schon alles, Bumper?« fragte er. Ich schüttelte nur den Kopf und löffelte mir, bevor er noch schauen konnte, einen Heidelbeer- und einen Limonenjoghurt hinunter. Was soll's, dachte ich, und holte mir noch einen mit Apfel, den ich hinunterschlang, während der Verkäufer sein Geld zählte. Ab und zu sagte er etwas zu mir, und ich lächelte ihn, den Mund voll kühlem, sahnigem Joghurt, schweigend an, während sich mein geplagter Magen an der fruchtigen Frische labte.
    »So wie Sie habe ich noch nie jemanden Joghurt wegputzen sehen«, meinte der junge Kerl, als ich schließlich fertig war.
    Ich konnte mich nicht an seinen Namen erinnern und wünschte mir deshalb, die Molkereiangestellten hätten Namensschilder an ihren grauen Arbeitskitteln getragen. Ich hatte es nämlich immer gern, wenn ich jemanden beim Namen nennen konnte, wenn ich mich mit ihm unterhielt, und das vor allem, wenn ich dazu sogar noch etwas zu essen bekam.
    »Könnte ich noch eine Buttermilch haben?« fragte ich, nachdem er die Joghurtbecher in den blitzenden Abfalleimer hinter der Theke geworfen hatte. Alles im Raum war, wie es sich für eine Molkerei gehört, blitzsauber, und es roch angenehm frisch und kühl.
    »Aber sicher, Bumper.« Er ging nach hinten und kam mit einem halben Liter Buttermilch zurück. Von den älteren Molkereiangestellten hätte mir kaum einer nur einen halben Liter gebracht. Schließlich hatte ich an diesem Morgen einen schrecklichen Brand. Anstatt jedoch etwas zu sagen, öffnete ich den Papptetraeder und kippte mir seinen Inhalt mit drei Schlucken hinunter. Vielleicht würde ihm auf diese Weise sein Fehler bewußt werden.
    »Ich schätze, ich hätte Ihnen wohl eher einen Liter bringen sollen, was?« meinte der junge Angestellte dann auch ganz richtig, als ich die Milchpackung abstellte und mir die Lippen leckte.
    Ich zuckte lächelnd mit den Schultern, worauf er noch einmal einen halben Liter brachte.
    »Vielen Dank«, sagte ich. »Heute habe ich aber auch wirklich einen mordsmäßigen Durst.« Ich öffnete die Packung und ließ die köstliche, dickliche Flüssigkeit in meinen Mund rinnen, um dann ganz langsam und genüßlich zu schlucken anzufangen. Als ich auch die zweite Buttermilch getrunken hatte, fühlte ich mich wieder richtig fit. Ich war wieder auf dem Damm. Nun konnte ich zu neuen Taten schreiten.
    »Wollen Sie sich nicht noch eine Buttermilch mitnehmen?« fragte mich der Angestellte. »Oder vielleicht ein paar Becher Joghurt oder Hüttenkäse?«
    »Nein, danke.« Ich halte nichts davon, die Freigebigkeit der Leute zu sehr auszunutzen, wie ich das schon bei mehreren Kollegen gesehen habe. »Ich muß jetzt zurück an die Arbeit. Am Freitagmorgen

Weitere Kostenlose Bücher