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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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wäre. Und schließlich dachte ich mir, soll sich jemand anderer mit diesen Halunken herumärgern, und ich habe mir wieder eine Uniform verpassen lassen. Aber mit Angie ist das was anderes. Ich kenne ihn. Ich kenne ihn schon seit meiner Kindheit, und ich wohne in Serrano, so wie er. Das ist praktisch unser gemeinsames Viertel. Und ich bin immer in die Reinigung gegangen, wo dieser Alte arbeitet. Natürlich war er mein Informant, aber ich habe ihn gemocht. Ich habe ihm nie Geld gegeben. Er hat mir einfach alles mögliche erzählt. Er hat einen Sohn, der Lehrer ist. Jedenfalls werden die Bookies nach dem, was jetzt geschehen ist, zumindest in der nächsten Zeit ein wenig leiser treten. Für eine Weile werden sie Respekt vor uns haben.«
    Ich mußte Sam in dem, was er sagte, ausnahmslos recht geben, obwohl ich andrerseits noch nie jemanden gesehen hatte, der so übel zugerichtet worden war wie Angie, und schon gar nicht von einem Polizisten. Das beunruhigte mich. Ich machte mir Sams und meinetwegen Sorgen und fragte mich, was passieren würde, falls Caputo sich an die Polizeidirektion wandte.
    Aber Sam sollte recht behalten. Caputo hielt den Mund, und ich muß zugeben, daß es mir nicht eine Sekunde leid tat, wie Sam mit ihm umgesprungen war. Ich hatte bei dieser Sache so ein unbestimmtes Gefühl, das ich nicht näher hätte definieren können, aber eines Nachts, als ich gerade im Bett lag und noch einmal über den Vorfall nachdachte, wußte ich es plötzlich. Es war einfach das Gefühl, daß etwas genau richtig war. Dies war eines der wenigen Male gewesen, daß ich während meiner Polizeilaufbahn miterlebt hatte, wie jemanden, dem anscheinend niemand etwas anhaben konnte, doch noch die gerechte Strafe ereilte. Ich spürte, daß meine Rachsucht etwas besänftigt worden war, und ich hatte wegen Sams Tat nie irgendwelche Gewissensbisse.
    Aber Sam war inzwischen tot, und ich würde bald aus dem Dienst ausscheiden. Jetzt gab es in unserer Abteilung nicht mehr viele Uniformierte, die einen Buchmacher aufs Kreuz legen würden. Ich wendete und fuhr zu Zoot Lafferty zurück, der immer noch in seinem erbsengrünen Anzug an derselben Stelle stand. Ich parkte den Schwarzweißen am Randstein, stieg aus und trat – mein verschwitztes Uniformhemd klebte an meinem Rücken – ganz langsam auf Zoot zu, der den Einwurfschlitz des rotblauen Briefkastens öffnete und seinen Arm hineinsteckte. Ich blieb fünf Meter von ihm entfernt stehen und starrte ihn an.
    »Hallo, Morgan!« Er grinste mich verschlagen an. Irgend etwas an seinem Verhalten sagte mir jedoch, daß er sich bereits wünschte, er hätte sich längst aus dem Staub gemacht. Er war ein blasser, hektischer Kerl, etwa fünfundvierzig Jahre alt. Sein sommersprossiger Schädel war so gut wie kahl.
    »Hallo, Zoot«, brummte ich zurück und steckte meinen Knüppel in den Halterungsring, während ich die Entfernung zwischen uns abschätzte.
    »Sie haben sich doch schon mal gehörig abreagiert, indem Sie mich einkassiert haben, Morgan. Warum schleichen Sie sich nicht in Ihr Revier und bleiben mir vom Hals? Ich bin doch eigens in die Figueroa übersiedelt, um Ihnen aus dem Weg zu gehen. Was wollen Sie eigentlich noch von mir?«
    »Na, was hast du denn da alles Schönes aufgezeichnet, Zoot?« Ich trat einen Schritt näher. »Du wirst dich doch grün und blau ärgern, weil du das alles in den Briefkasten stecken mußt, oder etwa nicht?«
    »Verdammt, Morgan!« Zoot blinzelte nervös und kratzte sich auf der Kopfhaut, die schlaff und gummiartig wirkte. »Warum lassen Sie die Leute nicht einfach in Frieden? Sie sind doch schon ein alter Mann. Wissen Sie das nicht? Warum hauen Sie nicht einfach ab und benehmen sich, wie es sich in dem Alter gehört?«
    Kaum hatte dieser Schleimer das gesagt, wurde diese schwarze Leere in mir blutrot, und ich sprintete die letzten drei Meter auf ihn zu, während er das Kuvert in den Briefkasten gleiten ließ. Seine Hand bekam er allerdings nicht mehr heraus. Ich drückte auf die metallene Klappe des Einwurfschlitzes, die sein Handgelenk festhielt, und legte mich mit meinem ganzen Gewicht darauf, so daß er vor Schmerz aufschrie.
    »Es wird allmählich Zeit, daß wir beide uns ein bißchen unterhalten, Zoot.« Meine Hand preßte sich nach wie vor auf die Briefkastenklappe. Einen Moment lang versuchte Zoot, sich zu befreien, erstarrte dann aber vor Schmerz mit vorquellenden Augen.
    »Bitte, Morgan«, flüsterte er. Ich sah mich währenddessen kurz um und

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