Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
Vom Netzwerk:
Zumindest nicht persönlich. Du wirst vermutlich wissen, daß ich mein Wort halte. Daß dir irgendwann einmal ein Kollege ein wenig auf die Zehen treten wird, kann ich natürlich nicht verhindern.«
    Er zögerte kurz und nickte schließlich. »Na gut, mir langt es schon, wenn nur Sie mich in Ruhe lassen, Morgan. Mit den Typen von der Sitte werde ich schon fertig.«
    »Na, dann fahren wir los. Wie geht's übrigens deinem Arm, Zoot?«
    »Sie können mich mal, Morgan«, grunzte er. Das brachte mich unwillkürlich zum Kichern, und meine Stimmung besserte sich etwas. Wir fuhren zum Sittendezernat, wo ich zum Glück den Mann, den ich sprechen wollte, gleich in seinem Büro antraf.
    »Eigentlich solltest du um diese Zeit unterwegs sein, um unseren Freunden, den Buchmachern, ein bißchen auf die Finger zu sehen, oder nicht, Charlie?« begrüßte ich den jungen Beamten, der gefährlich weit zurückgelehnt in seinem Drehstuhl saß, die Füße mit den kreppbesohlten Leisetretern auf den Schreibtisch gelegt hatte und gelangweilt auf seinem Notizblock herumkritzelte.
    »Tag, Bumper!« Er grinste mir entgegen, und dann erkannte er Zoot, den er selbst schon ein paarmal verhaftet hatte.
    »Was verschafft uns die Ehre Ihres Besuches, Mr. Lafferty?« wollte Charlie Bronski von Zoot wissen. Er war ein stämmiger Kerl, der seit etwa fünf Jahren bei der Polizei war. Als er damals gerade frisch von der Polizeiakademie gekommen war, hatte ich ihn angelernt. Er war mir damals als ein aggressiver und cleverer junger Bursche aufgefallen, dem es jedoch nicht an dem nötigen Maß an Bescheidenheit fehlte. Genau das mag ich. Solchen Burschen kann man eine Menge beibringen. Ich schäme mich keineswegs, zuzugeben, daß er bumperisiert war.
    Charlie stand auf und zog sich ein grün gestreiftes, kurzärmeliges Hemd über den Schulterhalfter, den er über einem weißen T-Shirt trug.
    »Unser Freund Zoot hat soeben beschlossen, seinem unsittlichen Lebenswandel zu entsagen und Buße zu tun«, gab ich Charlie mit einem amüsierten Blick auf Zoot zu verstehen, der wirklich so betrübt aussah, als hätte sein letztes Stündlein geschlagen.
    »Jetzt bringen wir das Ganze endlich hinter uns, Morgan«, schimpfte Zoot. »Und Sie werden mir schwören müssen, daß Sie auch wirklich dichthalten.«
    »Schwör schon, Charlie«, forderte ich meinen jungen Kollegen auf.
    »Ich schwöre«, erwiderte Charlie. »Und würdet ihr mir vielleicht zwischendurch auch mal verraten, worum es sich eigentlich dreht?«
    »Zoot würde uns gern eine telefonische Annahmestelle verraten.«
    »Und wofür?« erkundigte sich Charlie. »Für nichts«, warf Zoot ungeduldig ein. »Einfach nur so, weil ich so ein verdammt ehrenwerter Bürger bin. Wollen Sie die Information nun haben oder nicht?«
    »Na gut«, murmelte Charlie, und ich konnte ihm ansehen, daß er überlegte, wie ich Zoot diesmal wohl wieder kleingekriegt hatte. Da Charlie ein paar Monate mit mir zusammengearbeitet hatte, war er mit meinen Methoden durchaus vertraut. Ich habe immer versucht, ihm und all den anderen jungen Polizisten klarzumachen, daß man sich nicht sklavisch an die Vorschriften halten kann, wenn man es mit diesem Gesindel aufnehmen will. Beziehungsweise kann man das natürlich schon und wird am Ende sogar zum Captain befördert oder gar zum Polizeichef oder sonstwas. Aber eines ist klar – es muß immer Leute wie mich geben, damit sich diese Bürohengste im Glanz ihres Elfenbeinturms sonnen können. Letztlich sind wir es nämlich, die dafür sorgen, daß die da oben überhaupt noch etwas zu sagen haben und die Stadt nicht unter der Fuchtel des Ganovenpacks steht.
    »Sie wollen uns also die telefonische Annahmestelle verraten?« wandte sich Charlie an Zoot, der nur verbissen nickte.
    »Ist es auch wirklich eine Annahmestelle? Sind Sie sich dessen sicher?« fragte Charlie weiter.
    »Mit Sicherheit weiß ich überhaupt nichts«, plapperte Zoot drauflos und rieb sich das Handgelenk. »Ich sage nur aus, weil man ein bißchen zuviel Druck auf mich ausübt. Ich kann es nicht ertragen, verhaftet und dann auch noch gefoltert zu werden.«
    Charlie sah mich an, und ich dachte schon, ich würde durchdrehen, wenn dieser alte Erzganove nun tatsächlich zu flennen anfing. Ich verachtete diesen Kotzbrocken Zoot, aber nicht, weil er sang – das tat jeder, wenn man ihn nur am richtigen wunden Punkt erwischte. Es war vielmehr dieses wehleidige Getue, das ich absolut nicht ausstehen konnte.
    »Verdammt noch mal, Zoot!«

Weitere Kostenlose Bücher