Der müde Bulle
explodierte ich schließlich. »Du bist nun schon dein ganzes Leben lang ein Gauner und hast jedes verdammte Gesetz gebrochen, das dir mit deinem bißchen Grips nur irgendwie umgehbar erschien. Und jetzt hockst du hier und führst dich auf wie eine bigotte Nonne. Wenn du's schon unbedingt auf deine eigene Tour haben willst, dann halte dich gefälligst auch jetzt daran. Also sperr schon mal deine Fresse auf, du verschimmelter Hämorrhoidenarsch!«
Ich trat einen Schritt auf Zoots Stuhl zu, worauf er wie von der Tarantel gestochen hochschoß. »Ist ja schon gut, Morgan, ist ja schon gut. Was wollen Sie denn wissen? Ich sage Ihnen alles, was Sie wissen wollen. Aber werden Sie nicht gleich wieder so grob!«
»Ist die Nummer, die du immer anrufst, eine Annahmestelle?« wiederholte Charlie ruhig.
»Ich glaube schon«, antwortete Zoot. »Offensichtlich hat diese Alte dort keine Ahnung, was hier eigentlich gespielt wird. Ich bekomme nun schon seit einem halben Jahr immer dieselbe Alte an den Apparat. Wahrscheinlich ist sie irgendeine blöde Hausfrau, die Wetten für jemanden entgegennimmt, den sie nicht mal kennt.«
»In der Regel schreiben diese Frauen die Angabe auf Resopal«, erklärte mir Charlie, »und dann werden sie ein paarmal am Tag angerufen, um sich die von ihnen aufgeschriebenen Eingänge durchgeben zu lassen. Und falls tatsächlich mal die Leute von der Sitte vorbeikommen, brauchen sie die Notizen nur schnell wegzuwischen. Das ist ja bei Resopal kein Problem. So eine Alte weiß meistens nicht einmal, wer sie bezahlt oder woher die Anrufe kommen.«
»Das wird sie in diesem Fall allerdings nicht wissen«, schaltete sich Zoot ein und sah mich an. »Die ganze Sache ist einfach zu groß aufgezogen, Morgan, viel zu groß. Sie werden niemandem an den Kragen können, bloß weil Sie mich einsacken. Sie verstehen eines nicht, Morgan: Die Leute wollen, daß es uns gibt. Was kriegt denn so ein Typ wegen seiner Wettgeschäfte schon aufgebrummt? Selbst ein dicker Fisch? Höchstens eine lausige Geldstrafe. Haben Sie schon mal von einem Buchmacher gehört, der gesessen ist? Ich jedenfalls nicht.«
Zoot hatte sich inzwischen wieder an Charlie gewandt, der nur den Kopf schüttelte. »Nein, nein, meine Herren, das wird Ihnen nicht gelingen, sosehr Sie sich auch anstrengen. Es gibt nun mal einen Haufen Leute, die gern wetten, und die brauchen eben uns Buchmacher. Und die Typen, die uns nicht brauchen, haben eben irgendein anderes Laster. Geben Sie es doch auf, Morgan. Sie sind nun schon so lange bei der Polizei und haben immer noch nicht kapiert, daß es keinen Sinn hat, dagegen vorzugehen. Sie können diese verdammte Scheißwelt nicht retten.«
»Das versuche ich doch auch gar nicht, Zoot«, entgegnete ich. »Mir macht es nur einfach Spaß zu kämpfen.«
Darauf verließ ich das Büro und ging in die Cafeteria, da ich dachte, es wäre besser, Charlie mit Zoot allein zu lassen. Nachdem ich nun ausgiebig den Bösen gespielt hatte, konnte er ja den Guten markieren. Ein Verhör klappt nie, wenn nicht eine gewisse Privatsphäre gewahrt bleibt, und Charlie verstand sich recht gut auf so etwas. Ich hatte berechtigte Hoffnungen, daß er mehr aus Zoot herausbekommen würde, nachdem ich seine Zunge gelockert hatte. Wenn jemand anfängt, Reden zu halten, ist er zu packen. Wenn er in einem Punkt ins Wanken gerät, dann vielleicht auch in einem anderen.
Ich konnte mir nicht vorstellen, daß man Zoot mit Geld hätte kaufen können. Dazu hatte er eindeutig zuviel Angst. Aber da er vor uns genausoviel Angst hatte wie vor seinen Freunden aus der Unterwelt, bestand eine Möglichkeit, ihn zu knacken. Charlie würde das schon schaffen.
In der Cafeteria traf ich Cruz Segovia an, der an einem Bericht arbeitete. Ich trat hinter seinem Rücken ein. Außer ihm befand sich niemand im Raum. Cruz saß über einen Tisch gebeugt und schrieb in ein Buch. Er war so dünn, daß er selbst in seiner Uniform wie ein kleiner Junge bei seinen Schularbeiten aussah. Sein Gesicht hatte sich seit den Tagen, seit wir gemeinsam die Akademie besucht hatten, kaum verändert. Bis auf sein graues Haar war er immer noch der alte. Er war nur knapp einen Meter siebzig groß, und als er nun so allein da saß, wirkte er richtig winzig.
»Que paso, compadre«, sprach ich ihn an, da er immer gewünscht hatte, ich wäre katholisch gewesen, um für seine letzten sieben Kinder den Paten abzugeben. Aber seine Kinder betrachteten mich auch so als ihren Paten, und auch er nannte
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