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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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stellte fest, daß auf der Straße zwar reger Verkehr herrschte, aber kaum Passanten in unserer Nähe waren.
    »Bevor ich pensioniert werde, Zoot, möchte ich gern noch einen richtig dicken Buchmacherfisch schnappen. Nicht so einen unbedeutenden Schwächling wie dich – einen richtigen Buchmacher, verstehst du? Und da habe ich gedacht, daß du mir dabei ein wenig helfen könntest.«
    Tränen begannen über seine Wangen zu fließen, und seine kleinen gelben Zähne kamen zum Vorschein, als er sein Gesicht zum Himmel wandte, um einen neuerlichen Befreiungsversuch zu starten. Ich drückte daraufhin noch fester zu. Zoots Geheul ging allerdings im Lärm der vorbeifahrenden Autos unter.
    »Um Himmels willen, Morgan«, flehte er. »Ich weiß doch niemanden. Bitte, lassen Sie jetzt meinen Arm los!«
    »Ich werde dir was sagen, Zoot. Ich werde mich mit deiner Telefonstelle zufriedengeben. Wem gibst du über Telefon immer deine Wetten durch?«
    »Die rufen doch mich an …« Er schnappte nach Luft, während ich den Druck auf die Klappe etwas verringerte.
    »Erzähl mir keine Märchen«, knurrte ich ihn an und drückte wieder fester zu.
    »Ist ja schon gut, ist ja schon gut. Ich werde Ihnen die Nummer geben«, plapperte er hemmungslos drauflos. Erst widerte mich das Ganze an. Dann bekam ich eine Mordswut auf Zoot und mich und vor allem auf den Buchmacher, den ich niemals schnappen würde, da er viel zu gut abgesichert war, als daß ich ihm mit meinen beschränkten Möglichkeiten gefährlich werden könnte.
    »Ich breche dir deinen gottverdammten Arm, wenn du mir jetzt irgendeine falsche Nummer gibst«, fauchte ich ihn an, mein Gesicht unmittelbar vor seinem. In diesem Augenblick kam eine junge hübsche Frau vorbei, die erst in Zoots schweißüberströmtes Gesicht sah und dann in meines und um ein Haar Hals über Kopf über die Straße gerannt wäre, bloß um vor uns zu fliehen.
    »Die Nummer ist 6.682.733«, stieß Zoot schluchzend hervor.
    »Wiederhol sie noch mal.«
    »6.682.733.«
    »Noch einmal, und ich will hoffen, daß es die gleiche ist wie die beiden Male zuvor.«
    »6.682.733. Gütiger Gott!«
    »Wie meldest du dich, wenn du die Wetten durchgibst?«
    »Löwenzahn. Ich sage nur das Wort Löwenzahn, und dann gebe ich die Wetten durch. Ich schwör's Ihnen, Morgan.«
    »Jetzt würde mich nur noch interessieren, was wohl Red Scalotta dazu sagen würde, wenn er wüßte, daß du mir diese Information gegeben hast?« Ich lächelte und ließ ihn schließlich los, als ich in seinen Augen las, daß ich richtig geraten hatte und er für diesen speziellen Buchmacher arbeitete.
    Er zog seinen Arm aus dem Briefkastenschlitz und setzte sich auf den Randstein. Während er den Arm hielt, als wäre er gebrochen, fluchte er leise vor sich hin und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
    »Wie wär's, wenn du dich darüber mal mit einem Mann von der Sitte unterhalten würdest?« schlug ich vor und zündete mir eine frische Zigarre an, während er anfing, seinen Arm zu massieren.
    »Sie haben sie ja nicht alle, Morgan.« Er sah zu mir hoch. »Sie haben sie wirklich nicht alle, wenn Sie glauben, ich würde irgend jemanden verpfeifen.«
    »Hör zu, Zoot, du redest jetzt mit einem Beamten von der Sitte, und dafür werden wir dich beschützen. Kein Mensch wird dir etwas anhaben. Und falls du dich weigern solltest, wird Scalotta erfahren, daß du mir die Telefonnummer und das Codewort gegeben hast, damit wir dem Typen am Telefon eine Wette unterjubeln können. Ich werde dann bekanntmachen, daß du gegen Bezahlung singst, und was wird er wohl tun, wenn er spitzkriegt, was du mir gesagt hast? Und denke bloß nicht, er würde das Ganze vielleicht nicht glauben. Hast du eigentlich schon mal gesehen, wie jemand wie Bernie Zolitch mit Leuten wie dir umspringt?«
    »Sie sind der mieseste Dreckskerl, der mir je begegnet ist.« Zoot stand zitternd und kreidebleich auf.
    »Sieh das Ganze doch auch mal von der anderen Seite, Zoot. Du erklärst dich nur dieses eine Mal bereit, mit uns zusammenzuarbeiten. Wir werden uns einen unbedeutenden Kotzbrocken schnappen, der da am Telefon sitzt, und das war's dann auch schon. Wir werden uns schon irgendeine Geschichte ausdenken, wie wir an die Telefonnummer gekommen sind. Das machen wir doch immer, um unsere Informanten zu schützen. Kein Mensch wird etwas von der Sache erfahren. Du kannst wieder deine miesen krummen Geschäfte betreiben, und ich gebe dir mein Wort, daß ich dich nie wieder behelligen werde.

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