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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Jahre bei der Sitte gearbeitet, dann aber wieder eine Uniform übergestreift. Während ich Downtown als Revier hatte, war Sam für Alvarado zuständig, und er fuhr manchmal zu mir herüber oder umgekehrt. Wir gingen gemeinsam essen und unterhielten uns über alles mögliche, vor allem aber über Baseball, wofür ich mich manchmal interessiere, während Sam ein regelrechter Fanatiker war.
    Wenn wir ab und zu gemeinsam in seinem Lieblingsimbiß an der Alvarado gegessen hatten, begleitete ich ihn danach noch ein Stück, und bei diesen Gelegenheiten machten wir auch einige recht gute Fänge. Es war an einem herrlichen Sommerabend – vom MacArthur Park blies eine leichte Brise herüber –, als ich Angie Caputo zum erstenmal sah.
    Sam war damals plötzlich wie vom Donner gerührt, und sein Gesicht nahm einen höchst sonderbaren Ausdruck an, als er murmelte: »Siehst du den Kerl da? Das ist Angie Caputo, Zuhälter und Buchmacheragent.«
    Ich wußte nur zu erwidern: »Na und?« Mir kam das Ganze nämlich reichlich spanisch vor, da Sam aussah, als würde er diesen Kerl jeden Augenblick niederschießen. Angie war gerade aus einer Bar gekommen und wollte in einen lavendelfarbenen Lincoln steigen, der in der Sixth Street stand. Wir setzten uns in Sams Wagen, denn wir hatten soeben losfahren wollen, um uns die Acht-Uhr-Vorstellung in dem Varieté in seinem Revier anzusehen.
    »Er treibt sich weiter drüben im Westen rum, in der Nähe der Eighth Street«, weihte mich Sam über Angie Caputo ein. »Er wohnt dort auch – übrigens ganz in meiner Nähe. Ich halte jetzt schon seit ein paar Tagen nach ihm Ausschau. Man hat mir nämlich geflüstert, daß er Mr. Rovitch den Unterkiefer gebrochen hat. Du weißt schon, das ist der Mann, der in der Reinigung arbeitet, wo ich immer meine Uniform hinbringe.« Sam sprach mit einer unnatürlich sanften Stimme. Er war zwar ein netter, freundlicher Mensch und sprach immer ruhig und gefaßt, aber diesmal war es anders.
    »Warum hat er das gemacht?«
    »Der Alte war mit seinen Zinsen an Harry Stapleton, den Kredithai, im Verzug. Und der hat Angie beauftragt, Rovitch ein bißchen auf die Sprünge zu helfen. Angie hat so was eigentlich nicht mehr nötig, aber manchmal macht es ihm doch noch Spaß. Soviel ich gehört habe, benutzt er dabei mit Vorliebe Lederhandschuhe mit Eisenbolzen in den Handflächen.«
    »Und können sie ihm dafür an den Kragen?«
    Sam schüttelte den Kopf. »Der Alte hat geschworen, drei Nigger hätten ihm die Abreibung verpaßt.«
    »Bist du sicher, daß es Caputo war?«
    »Ich habe einen guten Informanten, Bumper.«
    Und dann gestand mir Sam, daß Caputo aus demselben miesen Nest in Pennsylvania kam wie er und daß sich ihre Familien gekannt hatten, als sie noch Kinder gewesen waren. Sie waren sogar entfernt miteinander verwandt. Darauf wendete Sam den Wagen, fuhr die Sixth Street zurück und hielt an der Ecke.
    »Steig ein, Angie«, forderte er Caputo auf, der mit einem freundlichen Lächeln zum Wagen kam.
    »Du willst mich verhaften, Sam?« Das Lächeln auf Caputos Lippen wurde noch breiter, und ich konnte kaum glauben, daß er genauso alt war wie Sam. Sein gewelltes Haar war blauschwarz, ohne den geringsten Grauton, und sein schönes Profil wirkte glatt und jugendlich. Außerdem trug er einen eleganten grauen Anzug. Unwillkürlich wandte ich mich Caputo zu, als er mir lächelnd seine Rechte entgegenstreckte.
    »Angie ist mein Name«, stellte er sich vor, während wir uns die Hände schüttelten. »Wohin soll's denn gehen?«
    »Wie ich gehört habe, hast du diesen alten Mann fertiggemacht«, sagte Sam in einem noch sanfteren Tonfall als zuvor.
    »Das soll wohl ein Witz sein, Sam. Ich habe doch wirklich wichtigere Dinge zu tun. Da seid ihr diesmal an der falschen Adresse.«
    »Ich habe schon die ganze Zeit nach dir gesucht.«
    »Und weshalb willst du mich bitte verhaften, Sam?«
    »Ich kann dich nicht verhaften. Seit ich dich kenne, ist mir das noch kein einziges Mal gelungen, obwohl es nichts gibt, was ich lieber täte.«
    Caputo wandte sich lachend an mich und steckte sich eine Zigarette an. »Sam ist wirklich ein Witzbold. Ich kann schon richtig damit rechnen, daß er mir mindestens einmal im Monat unter die Nase reibt, wie gern er mich im Knast sehen würde. Was gibt's denn Neues von den Leutchen in Aliquippa, Sam? Wie geht's Liz und Dolly? Und was machen Dollys Kinder?«
    »Bis jetzt hast du keinem was angetan, den ich persönlich gekannt habe«, fuhr Sam fort,

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