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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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selbstverständlich«, erwiderte Cruz. »An welchem Tag fährt sie jetzt eigentlich nach Norden rauf? Weiß sie das inzwischen schon?«
    »Nächste Woche wird sie ihre Siebensachen gepackt haben und über alle Berge sein.«
    »Eigentlich verstehe ich nicht so recht, weshalb du dir deinen Urlaub nicht einfach jetzt nimmst und mit ihr gehst. Wieso willst du unbedingt noch bis zum Monatsende hierbleiben? Dieser zusätzliche Verdienst ist es doch nicht wert, sie ein paar Wochen allein zu lassen. Am Ende kommt sie tatsächlich noch zur Besinnung und fängt sich an zu fragen, weshalb sie eigentlich ausgerechnet so einen alten Dreckskerl wie Bumper Morgan heiraten muß.«
    Ich wunderte mich über mich selbst, warum ich Cruz nicht sagen konnte, daß es genau das war, wozu ich mich entschlossen hatte. Warum zum Teufel machte ich so ein Geheimnis aus der Sache? Freitag würde mein letzter Tag sein. Um das zusätzliche Geld hatte ich mich noch nie geschert. Hatte ich wirklich Angst, es ihm zu sagen?
    »Wird schon komisch sein, alles einfach so zurückzulassen«, brummte ich in meinen Pappbecher.
    »Ich freue mich jedenfalls für dich, Bumper.« Cruz fuhr sich mit seinen schlanken Fingern durch sein dichtes graues Haar. »Ich kann dir sagen, wenn die Kinder nicht wären, hätte ich schon längst alles hingeschmissen. Das schwöre ich dir. Und ich bin wirklich froh, daß du's geschafft hast.«
    Seit dem Zeitpunkt, da Cassie in mein Leben getreten war und sich unsere Beziehung immer mehr dahingehend entwickelt hatte, daß ich sie heiraten und nach meinen zwanzig Jahren den Dienst quittieren würde, hatte ich mich mit Cruz, der sich erst nach dreißig Jahren pensionieren lassen konnte, unzählige Male über dieses Thema unterhalten. Aber nun, da der entscheidende Augenblick in greifbare Nähe gerückt war, kam es mir plötzlich so vor, als wären alle diese Gespräche nie geführt worden. Es war schon verdammt eigenartig.
    »Cruz, ich gehe ja auch schon am Freitag«, platzte ich schließlich heraus. »Ich werde Cassie sagen, daß ich schon am Freitag aufhöre. Ich meine, weshalb sollte ich noch bis zum Monatsende warten?«
    »Das ist ja wunderbar, 'mano!« Cruz strahlte über das ganze Gesicht, und ich dachte schon, er müßte seiner Freude mit einem lauten Juchzer Luft machen, wie er das immer tat, wenn er betrunken war.
    »Ich werd's ihr noch heute sagen.« Erleichtert trank ich den letzten Rest Kaffee aus und stand auf. »Es ist mir völlig egal, wenn ich einen Monat lang nichts anderes zu tun habe, als auf der faulen Haut zu liegen. Ich werd's mir einfach gutgehen lassen, bis ich Lust bekomme, mich in meine neue Arbeit zu stürzen.«
    »Ganz recht!« stimmte mir Cruz mit leuchtenden Augen zu. »Bleib ruhig ein ganzes Jahr auf deinem breiten, fetten Nalgas hocken, wenn dir danach ist. Die wollen dich als Sicherheitschef. Und die werden auch auf dich warten. Außerdem wirst du ja weiter vierzig Prozent deines bisherigen Gehalts bekommen. Cassie hat einen guten Job, und auf deinem Bankkonto wirst du sicher auch noch ein bißchen was haben.«
    »Das kann man wohl sagen.« Ich ging zur Tür. »Viel Geld habe ich ja wirklich nie gebraucht – bei der Großzügigkeit der Leute in meinem Revier.«
    Cruz grinste. »Psssst! Weißt du es denn noch immer nicht? Wir gehören zu der neuen Generation von Beamten. Wir nehmen keine Trinkgelder.«
    »Wer hat hier etwas von Trinkgeldern gesagt? Ich nehme nur den mir zustehenden Tribut entgegen.«
    Cruz schüttelte den Kopf. »Ahi te huacho.« Das ist eine anglisierte Slang-Redewendung, die in etwa bedeutet: ›Ich sehe dich später‹, oder, noch besser ausgedrückt: ›Ich werde nach dir schauen.‹
    »Ahi te huacho«, erwiderte ich und verließ den Raum.
    Ich begab mich wieder in Charlies Büro. Während Zoot geknickt auf seinem Stuhl saß, machte Charlie einen recht munteren Eindruck, woraus ich schloß, daß er sein Ziel erreicht hatte.
    »Ich würde gern einen Augenblick mit dir allein sprechen, Bumper«, sagte Charlie und führte mich ins Nebenzimmer. »Er hat mir wesentlich mehr erzählt, als ihm überhaupt bewußt ist«, fing Charlie an, nachdem er die Tür hinter uns geschlossen hatte. Er war richtig in Fahrt, wie es sich für einen guten Polizisten auch gehört, wenn er auf etwas Interessantes gestoßen ist.
    »Denkt er jetzt, du würdest mir sagen, ich sollte ihn künftig in Ruhe lassen?« fragte ich.
    »Ja«, erwiderte Charlie lächelnd. »Also spiel das Spiel mal mit. Er glaubt, ich

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