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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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eine hübsche Kleine am Arm, der das Ganze Spaß zu machen schien.
    »Klar, schieß los.« Ich lehnte mich gemächlich zurück und paffte an meiner Zigarre. Allmählich bekam ich nämlich tatsächlich Lust, mich mit ihnen zu unterhalten. Als ich einmal einen von diesen jungen Sergeants gefragt hatte, ob ich nicht auch im Zuge dieses Programms, in dem die Polizei um Verständnis bei der Bevölkerung warb, vor einer Highschool-Klasse sprechen könnte, hatte er mich mit einer Menge Geschwafel abgewimmelt. Daraus schloß ich, daß sie für so etwas lieber diese schmalhüftigen, blauäugigen, gutaussehenden Bilderbuchpolizisten wollten, wie man sie immer auf Werbeplakaten sieht. Aber jetzt bot sich mir solch eine Gelegenheit, und ich wollte sie nutzen.
    »Wie heißen Sie mit Vornamen, Officer Morgan?« erkundigte sich Scott mit einem Blick auf mein Namensschild. »Und was halten Sie von Demonstrationen?«
    Scott lächelte, und ich konnte ihn wegen des lauter werdenden Geschreis kaum hören, als die Demonstranten etwa sieben bis acht Meter näher an uns vorbeizogen, um den Eingang besser blockieren zu können. Dies war auf Anweisung der Alten in dem gelben Mini geschehen. Mehrere Jungendliche schnitten dem Kameramann Grimassen und streckten ihm und mir die zum Friedenszeichen erhobene Hand entgegen.
    Ich bemerkte noch, wie sich die zwei Kosaken auf der anderen Seite des Demonstrantenovals mit der Miniberockten unterhielten, und wandte mich dann wieder Scott zu. »Um auf deine Frage zurückzukommen – ich heiße Bumper Morgan, und ich habe grundsätzlich nichts gegen Demonstrationen. Nur stehlen sie uns natürlich kostbare Zeit, während wir uns um unser Revier kümmern sollten. Denn eines kannst du mir glauben – wir werden dort wirklich gebraucht. Es ist für alle nur ein Nachteil, wenn wir dort nicht Streife gehen.«
    »Erzählen Sie mir bloß nicht, es gäbe irgend jemanden, der nicht liebend gern auf Sie verzichten könnte«, rotzte mich ein Grünschnabel mit einer Sonnenbrille an. Er hatte sich ein Plakat umgehängt, auf dem ein weißer Army-Offizier dargestellt war, der einer schwarzen Mutter gerade telefonisch mitteilte, daß ihr Sohn in Vietnam gefallen war. Die Frau war in einer Ecke des Plakats abgebildet, und ein weißer Polizist mit einem überdimensionalen Knüppel schlug auf sie ein.
    »Dieses Plakat ergibt doch absolut keinen Sinn«, sagte ich zu dem jungen Burschen. »Das ist doch wirklich Quatsch. Die Überschrift dafür könnte genausogut lauten: ›Von den Feinden des Imperialismus getötet.‹ Also, damit kannst du mir wirklich nicht kommen.«
    »Genau das habe ich ihm auch gesagt«, entgegnete Scott lachend und bot mir eine Zigarette an.
    »Nein, danke«, wehrte ich ab, während der Junge und seine Freundin sich eine ansteckten. »Da finde ich das schon wesentlich besser.« Ich deutete auf ein Transparent, auf dem stand: ›Die Schweine von heute sind die Koteletts von morgen.‹
    Keiner von den anderen Jugendlichen hatte bis dahin etwas zu erwidern gewußt, nur der Rotzlöffel mit dem Plakat brüllte los: »Warum reden wir eigentlich mit diesem faschistischen Kapitalistenknecht?«
    »Jetzt hör mal gut zu, mein Sohn«, riet ich ihm. »Ich werde mich hier keineswegs gleich flach legen und totstellen, bloß weil du mit ein paar saftigen Schimpfwörtern um dich schmeißt. Ich meine, damit kannst du doch inzwischen wirklich niemanden mehr beeindrucken. Wieso unterhalten wir uns also nicht in aller Ruhe miteinander? Es würde mich wirklich interessieren, was ihr zu sagen habt.«
    »Gute Idee«, meinte ein junger Schwarzer mit einem wilden Lockenkopf, einer Nickelbrille und einem Halsband aus Tigerzähnen. Wegen des Lärms um uns herum mußte er beinahe schreien. »Dann sagen Sie doch mal, wie man auf die Idee kommen kann, Polizist zu werden! Das ist jetzt kein Witz – ich würde das echt gern wissen.«
    Natürlich zog er mich nur auf, da er dem blonden Burschen zuzwinkerte, aber ich dachte: Erzähl diesem jungen Gemüse trotzdem mal, was du an deinem Job gut findest. Ich genoß es, all diese jungen Leute um mich geschart zu haben und zu ihnen sprechen zu können. Die eigentliche Demonstration entfernte sich ein wenig, so daß ich fast wieder mit normaler Lautstärke sprechen konnte.
    »Na ja, ich finde es zum Beispiel gut, die Straßen von Gesetzesbrechern zu säubern …«, fing ich an.
    »Einen Moment«, unterbrach mich der junge Schwarze und rückte seine Nickelbrille zurecht. »Sparen Sie sich

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