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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Situationen befleißigen sollen. Ich hätte wetten mögen, daß es sie sehr überraschte, wie lässig ich an meinem Schwarzweißen lehnte und wie wenig mich diese furchterregende Gruppe beeindruckte.
    »Sie sollten doch nicht in der Öffentlichkeit rauchen, oder täusche ich mich da, Officer?« Diesmal war ihr Lächeln schon etwas weniger arrogant. Sie konnte sich offensichtlich keinen rechten Reim auf mich machen und nahm sich erst einmal Zeit, um herauszufinden, wie sie mich würde ködern können.
    »Ein richtiger Polizist sollte das vermutlich nicht, aber das ist nur eine Verkleidung. Ich habe dieses schlecht sitzende Clownskostüm nur gemietet, um einen Untergrundfilm zu drehen – und zwar über einen fetten, alten Bullen, der Äpfel klaut und Blumenkinder verprügelt und vor allem alte Schachteln in Miniröcken und Söckchen, die in der Farbe genau zu ihren Krampfadern passen.«
    Darauf verging ihr das Lächeln gründlich, und sie stürmte zu dem Kerl mit dem Stirnband zurück, der ebenfalls um einiges älter war, als ich anfänglich gedacht hatte. Sie flüsterten miteinander, wobei sie immer wieder zu mir herüber sah, während ich an meiner Zigarre sog. Dann winkte sie einigen Demonstranten zu, die mich zu veräppeln versuchten. Die meisten waren einfach junge Burschen und Mädchen im College-Alter, die sich lediglich einen Spaß aus der ganzen Sache machten. Bei manchen hatte ich sogar den Eindruck, daß sie mich sympathisch fanden und bei diesem Blödsinn nur mitmachten, um nicht aus der Reihe zu tanzen.
    Schließlich kam der Kerl mit dem Stirnband zu mir. Er feuerte nach wie vor die Demonstranten an, die in einem länglichen Oval vor dem Eingang des Gebäudes herumzogen, der von zwei Männern in Zivil bewacht wurde. Vermutlich gehörten sie der Militärpolizei an. Als der Kameramann zu filmen begann, steckte ich meine Zigarre weg und zog meinen Bauch um ein paar Zentimeter ein. Nachdem sie ein paar Black-Panther-Fahnen verteilt hatte, schloß sich meine Freundin in dem gelben Mini den anderen Demonstranten an und wanderte, ohne mich eines Blickes zu würdigen, mit ihnen herum.
    »Ich habe gehört, Sie sind nicht so wie die anderen Polizisten, mit denen wir bisher auf diesen Demos zu tun hatten«, sprach mich der Typ mit dem Stirnband an. Er grinste. »Unser lieber Herr Polizeidirektor hält wohl nichts mehr von diesem ach so höflichen, aber entschlossenen Auftreten? Soll das wieder mal eine neue Methode der Aufruhrunterdrückung sein? Eine Karikatur von einem fetten, alten Bullen – so ein richtig gemütlicher, alter Labersack, dem einfach kein Mensch böse sein kann? Ist es so? Glauben die, wir könnten Sie nicht als Symbolfigur für das Establishment hinstellen? Weil Sie dafür einfach viel zu komisch aussehen, ist es das?«
    »Ob du's glaubst oder nicht, Winnetou«, schoß ich zurück, »ich bin nur ein ganz normaler Streifenpolizist. Nicht irgendeine neue Geheimwaffe – nichts, worüber sich irgendwelche auf jung getrimmte alte Schrullen aufregen müßten. Ich bin nichts weiter als der zuständige Beamte.«
    Er zuckte leicht zusammen, als ich die Gelbberockte erwähnte, woraus ich schloß, daß die beiden möglicherweise zusammengehörten. Ich konnte mir gut vorstellen, daß sie auf einem College in der Unterstufe Sozialkunde unterrichtete.
    »Sind Sie das einzige Schwein, das sie hierhergeschickt haben?« erkundigte er sich mit einem inzwischen wesentlich weniger strahlenden Lächeln, was mich enorm befriedigte. Selbst solchen Profis fällt es schwer, ihr hämisches Grinsen beizubehalten, wenn man sie an ihrem schwachen Punkt erwischt. Vermutlich mochte er einfach alles an ihr – einschließlich der Krampfadern, die in dem Mini natürlich besonders vorteilhaft zur Geltung kamen. Ich dachte mir, scheiß drauf, geh einfach bei diesen Arschlöchern mal in die Offensive. Mal sehen, wohin das Ganze führt.
    »Jetzt hör mal gut zu, Cochise«, knurrte ich, die Zigarre zwischen den Zähnen. »Ich bin das einzige Schwein, das du heute hier sehen wirst. Die kleinen Schweinchen bleiben alle schön im Stall. Warum packst du mit deiner krampfadrigen Alten nicht die Che-Bücher zusammen und ziehst Leine? Laßt diese Leutchen ihre Demo schön friedlich durchziehen. Aber vergeßt nicht, diese beiden Brüder mitzunehmen.« Ich deutete auf die zwei Schwarzen, die uns aus drei Metern Entfernung beobachteten. »Hier werden keine Polizisten mehr auftauchen, und alles wird schön friedlich verlaufen.«
    »Sie

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