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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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schließlich galt es, den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu beschützen. Da waren Tausende von Kriegsgegnern, und ich kann euch garantieren, daß das mit den angespitzten Stöcken und den Tüten voll Scheiße und den zerbrochenen Flaschen und den Steinen keine Lügenmärchen waren. Also, ich könnte einen Menschen mit so einem Stein umbringen.«
    »Und Sie haben dort keine unnötigen Brutalitäten gesehen?«
    »Was heißt hier Brutalitäten? Die meisten Uniformierten waren Kerle in eurem Alter. Und wenn jemand so einem Burschen ins Gesicht spuckt, dann wird ihn – wie übrigens keinen Jungen seines Alters – nichts davon abhalten können, dem Betreffenden seinen Knüppel zwischen die Zähne zu rammen. Manchmal bleibt einem in solchen Situationen einfach nichts anderes übrig. Habt ihr eigentlich eine Ahnung, wie fünftausend Leute aussehen, die wie die Verrückten losbrüllen? Natürlich haben wir manchmal ganz schön mit dem Knüppel reingehauen. Das einzige, was diese Kerle zum Teil akzeptieren, ist nackte Gewalt. Und dann soll man immer nur schön freundlich sein und die Personalien einziehen? Wie stellt ihr euch das eigentlich vor? Bei diesen Wichsern muß es doch jeden halbwegs vernünftigen Menschen in den Fingern jucken.«
    In diesem Augenblick wurde der blonde Junge hinter Scott aggressiv. »Warum reden wir eigentlich mit so einem Schwein, das irgendwas daherfaselt und behauptet, daß er den Leuten helfen will? Was tut der Saftsack denn schon anderes, als ihnen die Köpfe einzuschlagen? Und er gibt das sogar offen zu. Was tun Sie denn in den Ghettos von Watts für die Schwarzen, die dort leben?«
    In diesem Augenblick drängte sich ein Mann in mittleren Jahren, der einen schwarzen Anzug mit dem Kragen eines Geistlichen trug, zwischen den Jungendlichen hindurch, die mich umringten. »Ich arbeite in den Chicano-Barrios in der Eastside«, verkündete er. »Was tun Sie denn für die Mexikaner, außer sie auszubeuten?«
    »Was tun Sie denn?« fragte ich zurück. Der plötzliche Stimmungsumschwung bereitete mir Unbehagen. Ich stand plötzlich, von fünfzehn bis zwanzig Leuten umringt, mit dem Rücken gegen meinen Wagen gelehnt.
    »Ich kämpfe für die Chicanos – für Brown Power«, erwiderte der Geistliche.
    »Sie sind doch gar nicht braun«, bemerkte ich und wurde immer nervöser.
    »In meinem Innern bin ich braun!«
    »Dann laß dir doch einen Einlauf verpassen«, murmelte ich leise vor mich hin und richtete mich zu meiner vollen Größe auf. Mir wurde klar, daß das Ganze plötzlich wesentlich anders zu verlaufen begann, als ich mir das vorgestellt hatte.
    Als nächstes fiel mein Blick auf den Schwarzen mit der Kosakenmütze, der links von mir hinter zwei Mädchen stand, die sich durch die Menge gedrängt hatten, um zu sehen, was hier eigentlich vorging. Und dann sah ich eine Hand, die eine Anstecknadel mit dem Friedenszeichen nach mir schleuderte. Sie traf mich mitten ins Gesicht, und die Nadel kratzte mich unter dem linken Auge leicht auf. Der Schwarze sah mich völlig gelassen und ruhig an, als ich herumwirbelte – bereit, mich mitten durch die Menge auf ihn zu stürzen.
    »Versuch das noch mal, du Dreckskerl, und ich schlag dir die Rübe ein«, sagte ich laut genug, daß er es hören konnte.
    »Wem?« fragte er mit einem breiten Grinsen unter seinem Schnurrbart.
    »Du meine Güte – wem?« fauchte ich ihn an. »Stell dich doch nicht so blöd! Ich spreche mit dir.«
    »Du fettes Schwein«, knurrte er und wandte sich dann der Menge zu. »Er will mich verhaften! Immer erst auf die Schwarzen! So haben Sie das wohl gelernt, Herr Bulle?«
    »Falls es hier Ärger gibt, bist jedenfalls du der erste, den ich mir schnappen werde«, murmelte ich vor mich hin und legte eine Hand auf den Griff meines Knüppels.
    »Er will mich verhaften«, wiederholte er, diesmal lauter. »Können Sie mir vielleicht sagen, weswegen? Weil ich schwarz bin? Habe ich vielleicht keine Rechte?«
    »Du wirst schon zu deinem Recht kommen, Freundchen«, brummte ich. »Du wirst schon kriegen, was dir zusteht.«
    »Ich sollte Sie umlegen«, fuhr der Schwarze fort. »Hier sind fünfzig Gesinnungsgenossen versammelt, und eigentlich sollten wir Sie umbringen – für all die Brüder und Schwestern, die ihr Schweine auf dem Gewissen habt.«
    »Dann fang doch schon mal an, du Wichser, wenn du es wagst«, konterte ich mit gespielter Courage, denn jetzt hatte ich wirklich Angst.
    Ich konnte mir unschwer vorstellen, daß mich diese

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