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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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hochgehüpft.
    »Hoffentlich ist da drinnen auch eine Kochplatte«, brummte ich. Obwohl gerade in solchen billigen Absteigen die Zimmer für gewöhnlich mit einer Kochplatte ausgestattet waren, befürchtete ich plötzlich, daß dies hier womöglich nicht der Fall war.
    »Ja, er hat eine«, entgegnete Poochie jedoch zu meiner Beruhigung und reichte mir den Zimmerschlüssel.
    Der Schlüssel drehte sich zwar im Schloß, aber die Tür ließ sich nicht öffnen.
    »Das hätte ich Ihnen gleich sagen können, daß die nicht aufgeht«, sagte der Portier. »Deshalb habe ich Sie doch auch verständigt. Herky ist ein richtiger Angsthase. Er hat sein Zimmer immer von innen verriegelt. Ich habe ja auch schon probiert, in sein Zimmer zu kommen.«
    »Gehen Sie ein bißchen weg.«
    »Wollen Sie die Tür einbrechen?«
    »Haben Sie vielleicht eine bessere Idee?« japste ich, das Taschentuch an mein Gesicht gepreßt.
    »Nein … Ich kann ihn jetzt übrigens auch riechen.«
    Ich trat direkt neben dem Schloß gegen die Tür. Krachend flog sie auf. Eine rostige Angel splitterte aus dem Holz des Türstocks, so daß die Tür nur noch an der unteren Angel hing.
    »Ja, er ist tot«, sagte Poochie mit einem Blick auf Herky, der sicher schon vor fünf Tagen verblichen war. In dem drückend heißen Raum gab es nicht nur eine Heizplatte, sondern auch einen kleinen Gasofen, der an diesem Dreißig-Grad-Tag auf vollen Touren lief.
    »Kann ich ihn mir mal ansehen?« fragte Poochie, der direkt neben Herkys Bett stand und seinen aufgedunsenen Bauch und sein Gesicht begutachtete, das bereits zu verfaulen begann. Von seinen Lidern war nichts mehr vorhanden, und seine Augen starrten silbern und starr auf den Hotelangestellten, der zahnlos grinste und sich über die Maden auf Herkys Gesicht und Geschlechtsteil lustig machte.
    Ich schoß quer durch das Zimmer und riß das Fenster auf. Unzählige Fliegen krochen über die beschlagenen Scheiben. Als nächstes stürzte ich auf die Kochplatte zu, schaltete sie an und stellte die Pfanne darauf. Dann kippte ich den Inhalt der Kaffeedose in die Pfanne. Poochie war jedoch so sehr mit dem Toten beschäftigt, daß er gar nicht merkte, wie großzügig ich mit seinem Kaffee umging. Nach wenigen Minuten fing der Kaffee zu brennen an, und ein stechender, rauchiger Geruch erfüllte den Raum, so daß der Leichengestank fast überdeckt wurde.
    »Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich ihn mir genauer ansehe?« fragte Poochie noch einmal.
    »Viel Spaß dabei!« ermunterte ich ihn und ging zur Tür.
    »Der ist schon eine ganze Weile tot, nicht wahr?«
    »Noch ein bißchen länger, und er wäre glatt durch die Matratze gefault.«
    Ich ging an den Münzfernsprecher am Ende des Gangs. »Kommen Sie mal mit«, forderte ich den Alten auf, da ich mir vorstellen konnte, daß er den Toten ausnehmen würde, sobald ich ihm den Rücken kehrte. Schließlich ist es schon schlimm genug, ausgenommen zu werden, wenn man noch am Leben ist.
    Ich steckte eine Münze in den Apparat und wählte die Nummer des Fernmeldeamts. Ich verlangte, mit der Polizei verbunden zu werden, und wartete, daß die Münze zurückkam, während ich mit der Station verbunden wurde. Sie kam jedoch nicht zurück. Ich sah Poochie scharf an, worauf er sich mit einer gekonnten Unschuldsmiene abwandte.
    »Irgend jemand hat den Geldrückgabeschlitz verstopft«, brummte ich. »Da wird wohl irgend so ein Arschloch ganz gut absahnen, wenn es den Apparat mal aufmacht.«
    »Sie wissen ja, was sich hier für ein Gesindel herumtreibt, Herr Wachtmeister«, entgegnete Poochie, noch faltiger und bleicher als zuvor.
    Ich sprach mit den Detectives und forderte einen von ihnen an, der sich um den Fall kümmern sollte. Dann hängte ich ein und steckte mir eine Zigarre an. Nicht, daß mir im Moment nach Rauchen gewesen wäre, aber zumindest würde es ein wenig helfen, diesen schrecklichen Gestank zu überdecken.
    »Stimmt es eigentlich, daß sie nach einer Weile wie eine Bombe explodieren?«
    »Wer?«
    »Na ja, so Tote – wie Herky.«
    »Ja. Es hätte nicht lange gedauert, und Sie hätten ihn von der Tapete kratzen können.«
    »Das ist ja 'n Ding«, meinte Poochie mit einem breiten Grinsen, bei dem eine Menge Zahnfleisch zum Vorschein kam. »Ein paar von diesen Kerlen wie Herky haben manchmal eine Menge Moneten in ihrem Zimmer versteckt«, gab er mir mit einem Zwinkern zu verstehen.
    »Dann lassen wir sie ihm auch, wenn er sie schon so lange gehabt hat.«
    »Ich habe doch gar nicht

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