Der müde Bulle
Polizei auf ständigem Kriegsfuß stehen. Aber nun war es dafür zu spät, da ich bald nicht mehr bei der Polizei sein würde. Und so würde ich nie in die Geheimnisse der Zigeuner eingeweiht werden.
»Können wir jetzt gehen, Herr Wachtmeister?« fragte der Zigeuner und faltete dabei die Hände wie im Gebet. »Für die Mutter meiner Kinder ist es sehr unangenehm, hier so in der prallen Sonne zu stehen.«
Jetzt erst sah ich der Zigeunerin ins Gesicht, und sie war keineswegs die alte Hexe, für die ich sie erst gehalten hatte. Sie stand nun kerzengerade aufgerichtet und funkelte mich aus ihren dunklen Augen an, während mir ihr Mann um den Bart strich. Es war unschwer zu erkennen, daß sie einmal genauso hübsch gewesen war wie ihre Tochter. Ich mußte unwillkürlich daran denken, daß mir immer vorgeworfen wird, ich würde an allen Frauen nur das Gute sehen, auch wenn sie meinen Kollegen oder Freunden auf den ersten Blick häßlich erscheinen. Und möglicherweise hatten sie sogar recht damit. Ich übertreibe einfach, wenn es um die Schönheit der Frauen geht, die ich zu Gesicht bekomme. Jedenfalls stimmte mich dieser Gedanke traurig.
»Bitte, Herr Wachtmeister. Können wir jetzt endlich gehen?« Dem hageren Zigeuner rann inzwischen der Schweiß durch die Falten in seinem Gesicht auf den ungewaschenen Hals hinab.
»Geh deines Wegs, Zigeuner«, verabschiedete ich mich melodramatisch und fuhr los, um wenige Minuten später in der Nähe des Gerichtsgebäudes zu parken und es durch das imposante Eingangsportal zu betreten.
12.
»Ich habe schon auf Sie gewartet, Bumper«, begrüßte mich der Detective, ein faltiger alter Hase namens Miles. Er hatte schon in der Abteilung für Raubüberfälle gearbeitet, bevor ich zur Polizei gekommen war, und er gehörte zu den wenigen Detectives, die immer noch einen breitkrempigen Filzhut trugen. Sie hatten früher mal den Spitznamen ›Hutstaffel‹ gehabt, und die breiten Filzhüte waren ihr Wahrzeichen. Aber natürlich stülpte sich jetzt kaum jemand mehr in Los Angeles einen solchen Hut auf den Kopf. Miles war jedoch ein sturer alter Teufel und hielt nach wie vor an diesem Brauch fest. Zu seinem breitkrempigen Hut trug er eine etwas zu große Jacke mit einer Pistole an jeder Hüfte. Er arbeitete schon, seit er denken konnte, für die Raubüberfall-Abteilung, und so setzte er seinen ganzen Stolz darein, diese alte Tradition zu wahren.
»Tut mir leid, daß ich zu spät komme, Miles«, entschuldigte ich mich.
»Das macht nichts. Der Fall wurde eben an Abteilung zweiundvierzig übergeben. Könnten Sie das vielleicht allein erledigen? Ich habe nämlich noch eine andere Verhandlung in Dreiundvierzig. Und wenn ich dem jungen Staatsanwalt dort nicht sage, wie er vorgehen muß, schafft es dieser Grünschnabel vielleicht, den Fall zu verlieren.«
»Klar, das werde ich schon machen. Bin ich der einzige Zeuge?«
»Sie und der Geschäftsführer des Hotels.«
»Haben Sie das Beweismaterial?«
»Ja, hier.« Aus einer billigen Kunstlederaktentasche zog Miles einen großen braunen Briefumschlag heraus, den ich an dem Aufkleber, den ich damals nach der Verhaftung daran angebracht hatte, sofort wiedererkannte.
»Da drinnen sind die Knarre und zwei Patronen.«
»Zu schade, daß wir dem Burschen keinen Raubüberfall anhängen konnten.«
»Tja, wie ich Ihnen ja schon damals gesagt habe – wir müssen froh sein, daß wir überhaupt so viel erreicht haben.«
»Wir haben ihn doch auch wegen elf-fünf-dreißig, oder nicht?«
»Ach ja, das hätte ich fast vergessen. Hier ist das Gras.«
Miles griff noch einmal in seine Aktentasche und zog einen weiteren Umschlag mit meinem Siegel hervor. Er enthielt das Marihuana, das ein Chemiker untersucht hatte.
»Wie viele Überfälle, glauben Sie, hat der Kerl denn auf dem Gewissen?«
»Ich habe Ihnen damals gesagt, vier.«
»Ja, stimmt.«
»Inzwischen vermuten wir jedoch, daß es sechs sind. Zwei im Rampart-Revier und vier hier im Central.«
»Verdammt schade, daß Sie ihm nicht wenigstens einen Überfall anhängen konnten.«
»Wem sagen Sie das, Bumper? Ich habe den Burschen gleich ein paarmal von verschiedenen Zeugen und Opfern identifizieren zu lassen versucht. Und ich kann Ihnen sagen, ich habe alles probiert. Aber das führte nur dazu, daß eine alte Dame schließlich meinte, er würde wie der Täter aussehen.«
»Vom Schminken schien dieser Kerl tatsächlich etwas zu verstehen.«
Miles nickte. »Allerdings. Sie wissen doch, daß er
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