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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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sage ihm also, daß ich ihn verhaften muß, worauf er nur meint: ›Tja, Mann, das ist natürlich Pech für Sie. Auf Knast habe ich nämlich absolut keinen Bock.‹ Das hat er einfach so ganz cool gesagt. Und dann tritt er zurück, als würde er gleich loslegen.«
    »Das ist ja 'n Ding!« entfuhr es Odell.
    »Da kommt mir plötzlich eine Idee – ich weiß auch nicht, wieso. Ich gehe also zu meinem Wagen rüber und gebe ganz laut über Funk durch: ›Eins-X-L-Fünfundvierzig fordert einen Krankenwagen in die Forty-first, Ecke Avalon, an.‹ Dieser Riese sieht sich verdutzt um und meint: ›Wozu soll denn der Krankenwagen gut sein?‹ Worauf ich sage: ›Für dich, du Arschloch, wenn du nicht in zwei Sekunden in meinem Wagen sitzt.‹ Er steigt tatsächlich ein, und auf halbem Weg zur Station fängt er plötzlich zu kichern an, bis er sich vor Lachen nicht mehr halten kann. ›Mann‹, sagt er, ›Sie haben mir ja den Arsch ganz schön auf Grundeis gehen lassen. Und das ist das erstemal, daß ich mich lachend in den Knast abschleppen lasse.‹«
    »Mein lieber Schwan, Bumper!« Odell schüttelte den Kopf. »Das ist ja echt 'n Ding.« Die beiden lachten schallend, dann begannen sie wieder ihre Kunden zu bedienen.
    Ich nagte noch ein bißchen an meinen Rippchen herum und stippte die letzten Reste Soße auf, aber ich fühlte mich nicht mehr so richtig wohl. Es deprimierte mich jetzt sogar ein wenig, ganz allein inmitten der schwatzenden und schmatzenden Menge zu sitzen, während die Bedienungen mit Tabletts voller Teller und Speisen zwischen den Tischen hin und her sausten. Und so verabschiedete ich mich von Nate und Odell. Natürlich konnte ich den beiden kein Trinkgeld geben, obwohl sie mich persönlich bedient hatten. Also steckte ich Nate zwei Dollar zu und trug ihm auf: »Gib sie Trudy und richte ihr aus, das wäre im voraus für die zuvorkommende Bedienung, wenn ich nächstesmal an ihrem Tisch essen werde.«
    »Ich werd's ihr sagen, Bumper«, versprach Nate grinsend, während ich winkend und rülpsend hinausging.
    Als ich an der Fassade eines großen Bürogebäudes wieder nach der Temperatur sehen wollte, wurde dort gerade die Uhrzeit angezeigt. Es war halb zwei. Um diese Zeit begannen bei Gericht die Nachmittagsverhandlungen. Mir dämmerte plötzlich, daß ich was vergessen hatte. Ich hatte an diesem Nachmittag einen Termin beim Untersuchungsrichter.
    Fluchend trat ich aufs Gaspedal und fuhr zu dem neuen Gerichtsgebäude auf dem Sunset, in der Nähe der Old Mission Plaza. Dann verlangsamte ich meine Fahrt jedoch wieder und dachte: Was soll's? Das ist das letztemal, daß ich im Dienst vor Gericht muß. Vielleicht werde ich noch ein paarmal aussagen müssen, nachdem ich aufgehört habe, aber dies wird das letztemal sein, daß ich in Uniform vor Gericht erscheine. Und ich hatte mich in zwanzig Jahren kein einziges Mal verspätet. Warum also diese Hektik? Ich ging wieder vom Gas und fuhr ganz gemächlich zum Gerichtsgebäude.
    Als ich an einer Indianerbar in der Main Street vorbeikam, sah ich zwei besoffene Krieger, die sich gerade auf den Weg in den Hinterhof machten, wo sie es untereinander ausmachen wollten. Sie schrien und stießen einander aufgebracht an. Ich kannte eine ganze Menge Payutes und Apachen, weil so viele hier in meinem Revier gestrandet waren. Diese Burschen konnten einen ganz schön deprimieren. Sie waren so kaputt (ich meine natürlich nur die Kerle, die in der Main Street geendet sind), und so war ich fast froh, daß sie sich wenigstens mal prügelten. Das war zumindest noch ein schwaches Anzeichen dafür, daß sie wenigstens ab und zu noch zurückschlagen konnten, wenn sie sich auch nur gegen einen betrunkenen Stammesbruder wehrten. Sobald sie einmal in meinem Revier auftauchten, waren sie praktisch erledigt, wenn sie das nicht sowieso schon lange zuvor gewesen waren. Sie waren dann Säufer und Penner und die Frauen fette Fünf-Dollar-Nutten. Man fühlte sich unwillkürlich versucht, sie zu packen, einmal ordentlich durchzubeuteln und sie dann irgendwohin zu schicken, wobei das Problem allerdings darin bestand, daß es keinen Ort gab, an den sich ein Indianer gern hätte schicken lassen. Sie waren verlorene Menschen, bar jeder Hoffnung. Ein alter Streifenpolizist hat mir einmal gesagt, sie könnten einem das Herz brechen, wenn man sich zu oft mit ihnen befaßte.
    Auf einem Parkplatz in der Nähe der Third und der Main sah ich eine Zigeunerfamilie auf ihren rostigen alten Pontiac zugehen. Die

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