Der Müllmann
Internetverbindung
anzapfen würde, würde man nur sehen, dass ich verschlüsselt auf einen Server in
Maryland zugriff. Manchmal fragte ich mich allerdings schon, wie viel Mühe es
Brockhaus kosten würde, sich einfach selbst bei meinen Konten zu bedienen.
Es gab nichts Unsichereres als das Internet, aber es blieb dennoch
die beste Möglichkeit, anonym zu bleiben. Wenn man wusste, welche Spuren man
verwischen sollte und welche nicht. Auf jeden Fall war es besser, als im Regen
zu stehen und darauf zu warten, dass jemand einem etwas unter eine Parkbank
schob.
Natürlich war es heutzutage schwieriger, mit illegalen Geldern zu
arbeiten. Jede neue Regelung, die man sich einfallen ließ, zielte scheinbar nur
darauf, solche Geldströme zu unterbinden. Oder zumindest Steuern dafür zu
kassieren. Das Geld in die Hände zu bekommen, war auch nicht mehr so einfach
wie früher.
»Doch darum geht es ja auch gar nicht«, hatte Brockhaus mir mal
erklärt. »Das Geld hast du dafür erhalten, dass du jemandem eine Gefälligkeit
getan hast. Und jetzt kannst du es verwenden, damit jemand anders dir eine
Gefälligkeit erweist. Darum geht’s. Das Geld wird nur auf den Konten hin und
her geschoben, ausgezahlt wird es in Gefälligkeiten.« Irgendwie hatte er recht.
Bislang hatte das Geld, das ich auf den Cayman Islands gebunkert hatte, tatsächlich
nur diesem Zweck gedient.
Doch
egal wie vorsichtig man war, wenn der Verdacht erst einmal auf einem lastete,
ließ sich immer etwas finden. Als bestes Beispiel Marietta. Ich war mir
ziemlich sicher, dass es nicht normal war, einen Zeugen so gründlich zu überprüfen,
wie sie es bei mir getan hatte.
Was mich
wieder zu dem Verrückten aus dem Café brachte. Dem Ungarn. Und wieder zu
Marietta zurück. Beide gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich fühlte mich, als
ob der Mistkerl in meinem Revier gewildert hätte, und ich war stinksauer
deswegen, nur sah ich nicht, was ich dagegen tun konnte. Es gab über vierhundert
Millionen Menschen in Europa … und mit dem wenigen, was ich bisher über ihn wusste,
war der Kerl nur eine Stecknadel in einem sehr großen Haufen. Wahrscheinlich
war er schon längst nicht mehr in Deutschland. Was nichts daran änderte, dass
es mir gehörig stank.
Heute
war Mittwochabend, Zeit, auch mal an mich zu denken. Schon seit Jahren trafen
sich Jenny und Ana Lena mittwochs, um etwas zusammen zu unternehmen, und
passenderweise war heute im Rafaels Salsaabend. Wie Ana Lena auf die Idee kam,
ich würde kegeln gehen, verstand ich auch nicht. Tatsächlich war es mir recht,
dass sie keine Fragen stellte, es war der einzige Abend der Woche, an dem ich
mich weigerte, an irgendetwas zu denken. Tanzen und Musik war gut für die
Seele, lateinamerikanische Rhythmen umso mehr.
Im Rafaels
kannte man sich, tanzte miteinander, flirtete auch ein wenig, es gab für mich
sogar die Gelegenheit, mein eingerostetes Spanisch zu benutzen. Hier gab es
kein Disco Dancing, man tanzte mit einer Partnerin, fühlte die Haut und Muskeln
unter den dünnen Kleidern, lachte und schwitzte … und all die Sorgen waren für
den Moment vergessen. Hier zählte nur, dass man lebte, atmete, lachte, tanzte
und die Musik fühlen konnte.
Als ich vor Jahren das erste Mal hierherkam und noch keine Ahnung
hatte, was einen Flamenco von einem Tango unterschied, hatte ich mir einen
Spitznamen abgeholt, »El Bruto«, wahrscheinlich weil ich den Damen so sehr auf
die Füße getreten hatte. Heute passierte mir das nicht mehr, und es gab kein
Mangel an Partnerinnen für einen heißen Abend. Ich mochte die Kleider der Damen,
die Schuhe, die Anzüge der Herren, die gesamte Stimmung, es war wie eine Art
Urlaub.
Als
ich mich, außer Atem, ausgepowert, nass und verschwitzt, hinter dem Auto umzog,
piepte mein Blackberry und holte mich in die Wirklichkeit zurück. Wenn ich
Ludwig diesen Gefallen tun wollte, dann jetzt. Ein Blick auf die Uhr sagte mir,
dass gerade noch Zeit genug für einen kleinen Abstecher nach Hanau war.
Ich kam
gerade noch rechtzeitig, um den Göttergatten dabei zu beobachten, wie er aus
der Kneipe torkelte. Er schien bei bester Laune, riss noch einen Witz für einen
seiner Saufkumpane, der Kerl war eine echte Frohnatur.
Ich hatte eine Waffe dabei, für alle Fälle, aber es wäre dumm
gewesen, sie zu benutzen. Eine Leiche warf immer Fragen auf, das konnte man ja
bei Valente sehen. Nein, ein Unfall war weitaus besser. Ich wusste auch schon,
auf welche Art mein Freund hier das Zeitliche segnen
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