Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Wolkenwand
Vom Netzwerk:
Luke, Chemieabfälle vom Feinsten. Es hätten jeweils
zweitausend Liter altes Frittierfett sein sollen. »Selbst wenn ich wollte, könnte
ich das Zeug nicht entsorgen, dazu braucht es Spezialanlagen!«
    Ich versuchte, ihn zu beschwichtigen, aber das Einzige, das half,
war, ihm zu versprechen, dass ich mich drum kümmern würde. Wir überprüften die
Ladepapiere, es stimmte alles, jede einzelne verdammte Nummer, nur dass es eben
kein Frittierfett war.
    Das Zeug war so giftig, dass ich den Namen nicht mal aussprechen
konnte, ich wusste nur, dass es so ätzend war, dass ein einziger Tropfen sich
bis auf den Knochen durchfraß. Irgend so ein Abfallprodukt aus der Metallverarbeitung.
Eine Säure, um Verunreinigungen aus dem Metall herauszuwaschen. Keine Ahnung.
Ich wusste nur, dass es wegmusste.
    »Sieh zu, dass das Zeug von hier verschwindet«, knurrte Theo zum
Abschied. »Ich brauche das Gleis spätestens nächsten Donnerstag wieder! Das
kann hier nicht stehen bleiben!« Er funkelte mich zornig an. »Und glaub ja
nicht, dass ich auch nur einen Cent der Kosten übernehme! Den Scheiß hast du verbockt!«
    Ich versprach ihm hoch und heilig, dass ich mich sofort darum
kümmern würde. Und brauchte fast den ganzen Abend, um herauszufinden, wie das
hatte geschehen können. Letztlich stellte es sich heraus, dass irgendein Hiwi
in Lyons die Ladepapiere vertauscht hatte. Ein dämlicher Irrtum, der üble
Folgen hätte haben können, hätte Theo nicht aufgepasst. Tatsächlich war auch
die französische Firma heilfroh, zu erfahren, wo ihr Mist abgeblieben war. Sie
sagten sogar zu, die Kosten zu übernehmen. Kein Wunder, wenn Theo das Zeug aus
Versehen abgelassen hätte, wäre es sie um ein Vielfaches teurer gekommen.
    Als ich endlich den ganzen Kram geklärt hatte, war Ana Lena noch
nicht wieder zurück. Es war schon kurz nach sieben, nach ihrem Stundenplan
hatte sie seit zwei Uhr keinen Unterricht mehr. Während ich die Spülmaschine
einräumte, grübelte ich darüber nach, was ich in Bezug auf sie besser machen
konnte. Am liebsten würde ich sie festbinden, damit ihr nichts geschah, aber
auf der anderen Seite musste ich ihr auch die Möglichkeiten lassen, ihre
eigenen Fehler zu begehen. So im Nachhinein begann ich zu verstehen, was meine
eigenen Eltern mit mir hatten durchmachen müssen. Von den Fehlern anderer zu
lernen, war eben nur begrenzt möglich, es bedurfte einer Einsicht, die man
eigentlich nur dann gewann, wenn man es … eben einsah.
    Ich seufzte, schaltete die Spülmaschine an, da klingelte es an der
Tür.
    Jenny stand da, zusammen mit zwei Gruftboys.
    »Guten Tag, Herr Schmitt«, sagte Jenny artig. »Wir sind mit Ana Lena
verabredet, ist sie da?«
    Ich schüttelte den Kopf und winkte die drei herein. »Sie wird ja
wohl irgendwann auftauchen.«
    Jenny war Ana Lenas beste Freundin, eine kleine quirlige Blonde, die
fast immer T-Shirt, Jeans und Turnschuhe trug und die Welt mit großen blauen
Augen betrachtete. »Wenn ich was anderes anhabe, bin ich zu süß«, hatte sie mir
mal ernsthaft erklärt. »Dann nimmt mich niemand ernst.«
    Süß war sie. Allerdings glaubte ich nicht daran, dass ihr viel
entging. Sie hatte es faustdick hinter den Ohren und, soviel ich wusste, war
sie eine Einser-Schülerin. Leon, der lange Schlaksige, der mit dem weißen Rüschenhemd
und dem Lackledermantel à la Dracula und den Combat Boots mit vier Zentimetern
Sohle, war ihr Freund. Lang, dürr, mit einem verlegenen Grinsen war er der
genaue Gegenpol zu Jenny, die mich meist an einen Flummi erinnerte.
    »Ich bin P-Paul«, sagte der andere junge Mann, den ich noch nicht
kannte, und hielt mir seine Hand entgegen. Er war eher zierlich geraten und
hatte neugierige blaue Augen, die mir bekannt vorkamen. Auch er war im Goth
Look gekleidet.
    »Mein Bruder«, erklärte Jenny. Ich schüttelte ihm die Hand und bat
die drei ins Wohnzimmer.
    »Oh, c-cool!«, sagte Paul begeistert. »Ein Flügel!« Er schaute zu
mir zurück. »Spielen Sie?«
    »Früher mal«, antwortete ich leicht amüsiert. »Aber in der letzten
Zeit komme ich nicht mehr dazu.«
    »Spielt Ana Lena?«
    »Nein. Sie hat zwar Klavierstunden bekommen, aber es hat sie wohl
nicht sonderlich interessiert.«
    »Ver-verstehe ich nicht«, sagte Paul und strich andächtig über das
polierte Holz. Ich auch nicht. Der junge Mann war mir direkt sympathisch. Dann
entdeckte er den Schrank mit den Schallplatten.
    »Oooh!«, jubelte er. »Analoge Scheiben!« Er klang richtig
begeistert.
    Aus der Küche

Weitere Kostenlose Bücher