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Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Wolkenwand
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ich …«
    Sie schüttelte leicht den Kopf, während sie durch mich hindurchstarrte.
»Bitte nicht«, flehte sie. »Bitte gehe. Ich … ich kann jetzt nicht. Bitte.«
    Es hatte bislang nicht viele Gelegenheiten in meinem Leben gegeben,
in denen ich mich so hilflos gefühlt hatte, es half auch nichts, dass ich
wusste, dass es wohl das Beste war, wenn ich sie jetzt in Ruhe ließ.
    »Ich …«, begann ich und schluckte. »Ich bin für dich da, das weißt
du doch, nicht wahr?«
    Sie sah mich an, mit diesem Blick, und es schien eine halbe Ewigkeit
zu dauern, bis meine Worte sie erreichten, dann nickte sie leicht.
    »Das weiß ich«, sagte sie dann wie aus weiter Ferne, »aber du bist
nicht Mama.« Sie lächelte schief, so kurz, dass ich es mir auch hätte einbilden
können. »Ich komm schon klar«, sagte sie tapfer. »Aber bitte lass mich alleine,
ja?«
    Es war das Schwerste, das ich jemals getan hatte, aber ich nickte
und zog leise die Tür hinter mir zu.
    Im Bad fand ich, wie erwartet, ihre verdreckte und zerfetzte
Kleidung, alles, was sie am Leib getragen hatte, sogar ihr Lieblingsrock, der
so gut wie nichts abbekommen hatte, ihren blutigen Slip, Strümpfe, die Stiefel,
einer davon mit abgebrochenem Absatz. Sie hatte fast zwei Packungen Duschgel
aufgebraucht und auch den neuen Schwamm, unzählige Wattepads und die Bürste
weggeworfen.
    Für einen Moment lang stand ich da, dann machte mich mein Zahn
darauf aufmerksam, wie sehr ich gerade die Zähne zusammenbiss. Langsam nahm ich
alles aus dem Wäschekorb heraus und tat es in eine große Plastiktüte.
    Dann kochte ich ihr ihren Lieblingstee. Als ich klopfte und sie
nicht antwortete, kam ich leise herein. Sie saß noch immer in der gleichen
Haltung auf dem Bett, sah mich nur unverwandt an.
    »Ich habe dir nur einen Tee gemacht«, sagte ich leise und stellte
die Tasse auf ihrem Nachttisch ab. »Ich …«
    »Raus!«, schrie sie plötzlich und fegte mit einer Handbewegung die
Tasse von ihrem Nachttisch. »Verschwinde und lass mich endlich in Ruhe!«,
schrie sie, und während ich schon floh, sah ich, wie es sie zerriss, ihre
Schultern bebten. »Geh endlich!«, schluchzte sie und warf sich noch gegen die
Tür, als wollte sie mich körperlich aus dem Zimmer schieben, kaum draußen hörte
ich, wie sie weinend die Tür von innen abschloss.
    Was sie nicht mehr getan hatte, seitdem … Seitdem.

    Sie braucht Zeit, sagte ich mir, und du bist ein
verfluchter Esel, warum hast du sie nicht in Ruhe lassen können?
    Weil ich
sie liebe. Weil ich wenigstens etwas für sie tun wollte.
    Ich weiß. Aber du bist dennoch ein Idiot . Gerade du solltest es doch wissen.
    Ich hatte mir fest vorgenommen, wach zu bleiben, aber dann war ich
offensichtlich doch auf dem Sofa eingeschlafen, als ich aufwachte, war zehn Uhr
schon vorbei. Leise ging ich nach oben, klopfte an ihre Tür und als keine
Antwort kam, öffnete ich sie vorsichtig. Die Tür war nicht abgeschlossen, aber
Ana Lena war nicht da.
    Auf dem Küchentisch fand ich dann einen Zettel von ihr. »Kann nicht
in die Schule, bin bei Jenny«, stand darauf. Sie hatte sogar daran gedacht,
Captain Jack zu füttern.
    Wenigstens ging sie ans Telefon. Wie es ihr ging, wollte ich wissen
und schimpfte mich selbst im gleichen Moment einen Vollidioten. Wie sollte es
ihr schon gehen, beschissen natürlich. Fast erwartete ich eine ihrer
Explosionen, aber sie blieb ruhig. Wie man so sagt, den Umständen entsprechend.
Es wäre ja ihre eigene Schuld.
    »Um Gottes willen!«, brach es aus mir heraus. »Das war es nicht!«
Beinahe wäre ich ins Auto gesprungen, um zu ihr zu fahren.
    »So meinte ich das nicht«, antwortete Ana Lena leise, und ich hörte,
wie sie seufzte. »Ich meine, es war meine eigene Dummheit, dem Arsch zu nahe zu
kommen. Man läuft ja auch nicht vor einen Bus oder einen Laster. Aber hinterher
ist man ja meistens schlauer, nicht wahr?«
    Irgendwie kam mir ihre Ruhe unheimlich vor. »Ich will nur nicht,
dass …«
    »Nein«, unterbrach sie mich. »Den Schuh ziehe ich mir auch nicht an.
Ich habe ihn weder provoziert noch war ich zu undeutlich. Es gab keinen Moment,
in dem er hat glauben können, dass ich es wollte. Ich habe mich deutlich genug
gewehrt. Mein Fehler war, dass ich nicht glauben wollte, dass es solche Menschen
gibt. Das Arschloch hat schlichtweg nicht interessiert, was ich wollte.« Wieder
hörte ich sie seufzen. »Jenny und ich haben uns schon Stunden darüber
unterhalten. Sie hat recht. Man kann nicht alles vorhersehen«, sagte

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