Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Wolkenwand
Vom Netzwerk:
mit der Musik kam auch eine Welle warmer, feuchter
Luft, angereichert mit einer Mischung aus Gerüchen, an die ich mich auch erst
einmal gewöhnen musste. Ehrlich gesagt, war mir da der Zigarettenqualm von
früher lieber.
    Dafür war der Laden gut besucht, aber nicht unangenehm voll, sogar
an der langen Theke an der linken Seite war noch Platz für mich. Von dort aus
konnte ich gut beobachten, wie auf der Tanzfläche eine Säule angetanzt wurde,
als ob es sich dabei um ein altes heidnisches Ritual handeln würde.
    Die Bedienung hinter der Theke trug Klamotten, die zu einem
Fetischfilm gepasst hätten, zeigte Figur und ein freundliches Lächeln; und
schneller, als ich es glauben konnte, hatte ich meinen Rotwein vor mir stehen,
in einem sauberen Glas und besser als erwartet.
    Ich hatte mir einen Platz zwischen zwei kleinen Gruppen gesichert,
und ab und an schwappten Gesprächsfetzen zu mir hinüber. Die Gruppe links von
mir unterhielt sich mit offensichtlichem Eifer über die jüngsten politischen
Ereignisse, die drei jungen Damen rechts von mir erörterten, wo bei einem Computerspiel
namens Wow das Geheimnis des Erfolgs liegen mochte.
    Schmunzelnd griff ich mir mein Glas und begann, durch den Hauptraum
zu driften, hörte hier und da hin, sah mich mit neugierigen und wachen Augen
um.
    »Suchen Sie jemanden Bestimmten?«, sprach mich eine junge Frau an.
Als ich sie verblüfft ansah, lachte sie. »Ist ja nicht zu übersehen.« Offenbar
schien es sie wenig zu stören, dass ich gut zwanzig Jahre älter war als sie.
    »Einen Henri Muller«, antwortete ich. »Ich hörte, er soll oft hier
sein.«
    Das Lächeln der jungen Frau erstarb. »Dann gehen Sie ihn mal
suchen«, sagte sie kühl und wandte sich brüsk ab.
    »Er ist kein Freund von mir«, sagte ich, bevor sie außer Hörweite
war. »Ganz im Gegenteil.«
    »Ach ja?«, fragte sie skeptisch und musterte mich von oben bis
unten.
    »Sie wohl auch nicht?«
    »Er ist ein Arsch«, sagte sie und verzog das Gesicht, als hätte sie
gerade eine Kakerlake gesehen. »Er hat zu viel Geld und zu viel Ego.«
    »Aber Sie kennen ihn?«
    »Ich wollte, es wäre nicht so.« Sie sah prüfend zu mir hoch. »Wollen
Sie einen guten Rat? Blöde Frage, niemand will einen guten Rat. Trotzdem:
Vergessen Sie Henri. Wenn Sie ihn noch nicht kennen, brauchen Sie es nicht
nachzuholen, Sie verpassen nichts.« Sie wedelte nachlässig mit der Hand in die
hintere Richtung des Raums. Dort befand sich eine kleine Plattform, auf der
Spielautomaten standen. »Aber wenn Sie darauf bestehen … Er ist irgendwo dahinten.«
Ich nickte dankend und wollte mich abwenden, als sie mir die Hand auf den Arm
legte. »Wenn Sie ihm Ärger machen wollen, vergessen Sie es, er hat immer
jemanden bei sich, der ihm den Ärger vom Hals hält.«
    »Warum sollte ich ihm Ärger machen wollen?«
    »Nur so eine Idee«, lachte sie und grinste breit. »Die geballten
Fäuste sind ein Hinweis.« Sie sah bedeutsam auf meine Hände herab. »Besser«,
lächelte sie, als ich mich entspannte.
    »Darf ich fragen, was Henri Ihnen angetan hat?«, fragte ich leise,
doch sie schüttelte kühl den Kopf.
    »Ich befürchte, Sie überschätzen die Intimität unserer nicht
vorhandenen Beziehung«, teilte sie mir mit. »Ich nicht.«
    Mit diesen Worten wandte sie sich endgültig ab und ging raschen
Schrittes davon. Dieser Henri schien sich wirklich Freunde fürs Leben gemacht
zu haben.
    Es brauchte ein wenig, bis ich mich durch die Menge zu der Plattform
hingearbeitet hatte, auf halbem Weg dorthin sah ich eine junge Frau mit
hochgestecktem blondem Haar, in Korsett und langem Lederrock, die sich gerade
unter jemandem hinweg duckte und die Treppe hinaufeilte, im nächsten Moment
erkannte ich sowohl sie als auch das Frettchen.
    Es war Ana Lenas Freundin Jenny, und sie stürmte geradewegs auf das
Frettchen zu. Henri war mit dem Spielautomaten beschäftigt und abgelenkt, auch
der Typ neben ihm, der mit langem Ledermantel und breiten Schultern wohl
beeindruckend wirken wollte, sah sie zuerst nicht kommen.
    Jenny machte es sich zunutze, und ohne auch nur einen Lidschlag lang
zu zögern, begrüßte sie das Frettchen mit einer Ohrfeige, die so laut knallte,
dass sie sogar das Wummern des Basses übertönte.
    Selbst ich war beeindruckt, dies musste die perfekteste Ohrfeige
gewesen sein, die ich jemals gesehen hatte, sie riss das Frettchen herum und
ließ ihn beinahe auch noch straucheln. Mittlerweile war ich nahe genug heran,
um beide trotz der Musik zu

Weitere Kostenlose Bücher