Der Müllmann
bezahlt haben. Aber es sind nur Gerüchte, niemand weiß
etwas Genaueres. Und dann gibt es noch die, die schwören, dass er ein
supertoller Hecht ist und es nicht nötig hätte. Und wenn du etwas Falsches
sagst, besitzt er die Frechheit, dir mit seinem Anwalt zu drohen.« Sie seufzte
und schüttelte fassungslos den Kopf. »Ich hörte davon, dass jemand ihn anzeigen
wollte. Er hat ihr massiv gedroht, natürlich nicht so, dass es an ihm
hängenbleiben könnte. Andeutungen und so. Als sie sich immer noch nicht
einschüchtern ließ, wurde sie vier Tage später von drei Männern überfallen,
noch mal vergewaltigt und neben allem anderen noch halb totgeprügelt. Hat
natürlich nichts miteinander zu tun, und unser Henri war ganz woanders und hat
von alledem gar nichts gewusst. War ja klar!«
Ich konnte nicht sagen, dass es mich überraschte, es deckte sich so
ziemlich exakt mit dem, was ich schon vermutet hatte. Brockhaus’ Akte hatte so
etwas angedeutet.
»Du hast von anderen gesprochen?«, fragte ich stattdessen. »Hast du
eine Ahnung, wie viele es schon sind? Wenn sich auch nur eine einzige andere
junge Frau finden lässt, die von ihm vergewaltigt wurde und bereit ist, auszusagen,
sieht die Geschichte schon ganz anders aus.«
»Da redet man nicht offen darüber«, erklärte Jenny und schüttelte
den Kopf. »Aber ich glaube, es sind fast ein Dutzend. Es gibt so einige, die
mit ihm zusammen waren und dann plötzlich nicht mehr hergekommen sind.« Sie
zuckte mit den Schultern. »Oder sie hatten einfach nur die Schnauze von dem
Schuppen voll und treiben sich woanders herum.« Sie wischte sich über die
Augen. »Es sind alles nur Gerüchte. Aber nach dem, was Ana Lena geschehen ist,
glaube ich sie alle. Nur sind das keine Beweise.«
Damit hatte sie leider recht, Gerüchte hatten vor Gericht wenig
Bestand.
Aber im Moment denkst du auch
nicht an eine Gerichtsverhandlung, nicht wahr?
Eher nicht.
»Weißt du, was Ana Lena vorhat?«, fragte ich Jenny.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur, dass sie mittlerweile
stinksauer ist. Meine Mutter meint, es wäre ein gutes Zeichen, aber ich weiß
nicht … nach dem, was ich gehört habe, kann man ihr ja wohl kaum raten, ihn anzuzeigen,
nicht wahr? Der Kerl kann sich die besten Anwälte leisten und sein Vater hat
genügend Einfluss, um es so darzustellen, als wäre sie dran schuld. Und dann
kann es geschehen, dass er am Ende doch ungeschoren davonkommen wird.«
»Entschuldigt«, sagte die junge Frau von vorhin und trat näher an
uns heran. »Ist es wahr, Jenny? Hat er sich an Al vergriffen?« Sie sah zu mir
hoch. »Ich bin Nina«, fügte sie leise hinzu. »Al, Jenny und ich sind befreundet
…«
»Das ist Herr Schmitt, Als Onkel«, stellte Jenny mich vor.
»Das habe ich eben gerade mitbekommen«, sagte die junge Frau und
lächelte schief. »Vorhin habe ich für einen Moment gedacht, Sie nehmen ihn
direkt dort vor aller Augen auseinander.«
Nun, in diesem speziellen Moment hatten ich und sie wohl dieselben
Gedanken gehabt.
»Nina«, begann Jenny. »Ich weiß nicht, ob wir …«
»Ich will ja auch nicht stören«, unterbrach Nina. »Könnt ihr Al
einfach nur sagen, dass ich, wenn sie den Kerl anzeigt, mitmache?«
»Du meinst …« Jenny sah sie ungläubig an und Nina nickte.
»Ja. November letztes Jahr«, erklärte sie mit gepresster Stimme. »Er
hat mir angedroht, dass ich es bereuen würde, wenn ich mein Maul aufreiße … nur
dass ich es nicht mehr ertragen kann, ihn da stehen und lachen zu sehen! Wisst
ihr, dass er mir geraten hat, woanders hinzugehen, wenn es mich stört?« Ihre
Augen funkelten und jetzt waren ihre Hände zu Fäusten geballt. »Ich habe
gehört, wie Sie gesagt haben, dass, wenn es mehrere gibt, die ihn zusammen anzeigen,
die Chancen höher sind, dass er verurteilt wird!«
Ich nickte. »So ist es auch.«
Sie atmete tief durch. »Ich weiß noch von zwei anderen und eine, bei
der er es versucht hat. Vielleicht kann man die ja auch ansprechen.« Sie sah
verächtlich dorthin, wo Henri verschwunden war. »Es ist fast alles besser, als
zu ertragen, dass er damit immer wieder durchkommt!« Sie ballte erneut die
Fäuste. »Solange er nicht weggesperrt ist, ist alleine der Gedanke, dass er
ungestraft davongekommen ist, wie ein schwarzes Loch, das mir jede Freude
aussaugt. Ich würde alles dafür tun, dass es verschwindet!«
»Und warum hast du uns nicht gesagt, was geschehen ist?«, fragte
Jenny betroffen. »Dann wäre es vielleicht Al nicht
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