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Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Wolkenwand
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als getan, dachte ich, als ich den Mercedes in die Garage
fuhr. Das Haus wirkte leer und dunkel ohne sie. Elisabeth, wo zur Hölle bist
du, fragte ich in Gedanken meine Schwester. Ich war fest davon überzeugt, dass
ich es fühlen müsste, wenn sie nicht mehr leben würde. Also war sie irgendwo …
nur, warum war sie dann nicht zurückgekommen? Die Antwort kannte ich. Frank.
    Irgendwie war es immer die gleiche Antwort, wenn ich mich fragte,
warum etwas schiefgelaufen war. Frank. Bei dem Gedanken an ihn dachte ich automatisch
gleich an Frau Richter. Vielleicht, dachte ich, als ich den Waffentresor im
Nachbarkeller aufschloss und eine leicht gebrauchte Walther herausnahm, vom
gleichen Modell wie die, die der Ungar verwendet hatte, fand sich ja die Zeit,
mich heute Abend doch noch um dieses miese Exemplar eines Göttergatten zu
kümmern.
    Doch als ich mich in den Wagen setzte, schüttelte ich den Kopf über
mich. Halte dich an deine Regeln, mahnte ich mich. Schusswunden werfen Fragen
auf, lass es sein.
    Besser, du schaust dir mal das
Frettchen an.
    Kurz entschlossen ließ ich den Wagen an und fuhr los. Sosehr ich
auch versuchte, mich zu erinnern, die Adresse fiel mir nicht ein, aber ich
wusste so in etwa, wo sich die Disco befand, in der Ana Lena so viel Zeit
verbrachte, allzu schwer sollte sich der Laden nicht finden lassen. Es brauchte
dann zwar doch drei Umleitungen und anderthalb Stunden, bis ich endlich auf dem
Parkplatz stand, dafür fiel mir in dem Moment auch die Adresse wieder ein.
    Und was machst du, wenn du ihn
findest? Legst du ihn gleich um oder wartest du fünf Sekunden?
    Nichts. Noch nichts. Erst einmal galt es herauszufinden, mit wem ich
es hier zu tun hatte. Die Lage sondieren. Niemals übereilt agieren. Das waren
die Regeln. Es brachte nichts, wenn ich ihn zusammenschlug und er mich dann
anzeigte. Nein, so etwas musste sorgsam geplant werden.
    Und dann schlägst du ihn zusammen?
    Vielleicht. Vielleicht bringe ich ihn auch nur um.

    Gott, wie lange war es her, dass ich das letzte Mal in
einer Disco gewesen war? Zwanzig Jahre? Zumindest hatte sich eines geändert,
der Pulk von Leuten, der vor der Disco stand, wartete nicht auf Einlass,
sondern qualmte um die Wette. Richtig, erinnerte ich mich. Rauchen war ja nicht
mehr erlaubt.
    Auch an die
Optik musste ich mich erst einmal gewöhnen. Abendgarderobe, Ballkleider,
großzügige Dekolletés, unpassend zu turmhohen Plateaustiefeln, kunstvolle
Frisuren, im allseits beliebten Schwarz bis hin zur neongrünen Irokesenbürste.
Mit Frack. Letzterer, der Hautfarbe nach offenbar ein Mitbürger mit Migrationshintergrund,
wandte sich an mich. »Entschuldigung, haben Sie vielleicht Feuer für mich?«, fragte
er höflich und ohne jeden Akzent.
    Ich hatte.
    »Schicker Anzug«, stellte der junge Mann bewundernd fest. »Boss?«
    »Thomas Mahon.«
    »Kenn ich nicht«, meinte der junge Mann verständnisvoll. »Macht ja
nichts. Kann ja nicht jeder mit Boss oder Armani herumlaufen.«
    Ich gab ihm schmunzelnd recht. Zwei Schritte weiter wurde mir der
Weg von einer kleinen Westentaschenprinzessin im schwarzen Abendkleid, aber mit
silberner Tiara versperrt. Und zehn Zentimeter hohe Plateau-Combat-Boots trug
auch sie, wie ich diskret bemerkte, was allerdings nicht ganz so leichtfiel,
denn ihr Ausschnitt war meinem Blick im Weg.
    »Könnten Sie mich vielleicht auch anmachen?«, fragte sie mit einem
verführerischen Lächeln und lehnte sich fast schon an mich.
    »Nur Ihre Zigarette«, erklärte ich und fühlte mich ein wenig in die
Ecke gedrängt.
    »Schade«, sagte sie und zog eine süße kleine Schnute. »Ich steh auf
ältere Männer«, flüsterte sie mir vertraulich zu. »Da kann man noch etwas lernen.«
Sie fuhr mir leicht mit einem zentimeterlangen karminroten Fingernagel über die
Wange. »Aber vielleicht überlegen Sie es sich noch anders … ich vielleicht dann
auch!«
    Sie zwinkerte mir zu, drängte sich zwischen zwei anderen durch und
war verschwunden.
    Ich schüttelte ungläubig den Kopf, holte tief Luft und drängte mich
weiter durch die Menge, bis ich endlich an der Kasse angekommen war und meine
fünf Euro bezahlen durfte. Dafür stempelte man mir einen neongelben Vogel auf
den Handrücken und wies zu einer Tür, die von einem Ledervorhang verschlossen
war. Und dann betrat ich eine fremde Welt.
    Wenigstens die Lautstärke war erträglich, dachte ich, als ich mich
durch einen langen Gang hin zum Hauptraum kämpfte, da war ich aus früheren
Zeiten anderes gewohnt. Doch

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