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Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Wolkenwand
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war etwas übertrieben. Immerhin atmete Henri noch.

    »Sie
sagt, sie will darüber nachdenken«, erklärte Frau Steiler, als sie wieder nach
unten kam. Sie nickte dankend, als ich ihr einen Kaffee reichte.
    »Keine
Milch, kein Zucker«, wehrte sie ab und lehnte sich an die Küchentheke, um mich
über den Rand ihrer Kaffeetasse hinweg zu mustern. »Ich habe ihr erklärt, wie
man in solchen Fällen vorgeht. Dass es speziell ausgebildete Beamte gibt, die
sich um sie kümmern würden. Dass man alles versuchen wird, damit sie nicht vor
Gericht aussagen muss. Und dass, wenn der Kerl es schon öfter gemacht hat, wir
ihn drankriegen werden. Ganz sicher. Einmal kommt so einer vielleicht davon,
aber bestimmt nicht zweimal.«
    Ich erinnerte mich daran, was Nina mir gesagt hatte.
    »Seine Masche ist, dass er behauptet, die Frauen wollten sich an ihm
rächen, weil er sie ›abgeschossen‹ hat. Oder ihn erpressen, weil er reich ist.«
    »So was gibt’s«, nickte sie langsam. »Aber wenn sich die anderen
Mädchen melden, glaubt ihm das kein Schwein. Und auch kein Richter.« Sie sah
mir direkt in die Augen. »Ich glaube an unseren Rechtsstaat, Heinrich«, sagte
sie leise.
    Ich nickte. »Sonst wärst du wohl kaum Polizistin geworden.«
    »Ja«, sagte sie und stellte die leere Tasse ab. »So ist es.« Sie
warf einen Blick aus dem Fenster. »Ich glaube, ich gehe besser, bevor er noch
ungeduldig wird. Bis nachher, Heinrich.«
    »Bis nachher.« Ich sah ihr nach, wie sie davonging, sie sah nicht
ein einziges Mal zurück.

    Ich
klopfte oben an die Tür und ging dann hinein. Ana Lena saß auf dem Bett und sah
mich fragend an. Die Anlage war still, und ich ertappte mich dabei, dass ich
mir fast wünschte, sie würde wieder Musik hören. Sie sah so geknickt aus.
    »Komm mal
her«, sagte ich leise und öffnete die Arme.
    Ich hielt sie, während sie weinte. Nein, dachte ich. Marietta hatte
recht. Diesmal würde Henri nicht davonkommen. Ganz bestimmt nicht.
    »Es wird alles wieder gut«, versprach ich ihr und fischte ein
Taschentuch heraus.
    Sie schniefte und lächelte etwas schief. »Ich hab dir früher immer
geglaubt, wenn du das gesagt hast.«
    »Es wurde ja auch immer gut, nicht wahr?«
    »Das mit Mami nicht«, meinte sie und wischte sich die Augen.
    »Noch nicht. Aber ich halte meine Versprechen. Alle. Du wirst schon
sehen.«
    »Du warst schon immer mein Lieblingsonkel.«
    »Danke. Du hast ja auch nur einen.«
    »Trotzdem.« Sie löste sich aus meinen Armen. »Weißt du was?«, sagte
sie und schnäuzte in das Taschentuch. »Es ist echt scheiße, so erwachsen zu werden.«
    »Ja«, stimmte ich ihr zu. »Aber du bekommst das hin.«
    »Versprochen?«
    »Natürlich. Du weißt ja …«
    Sie lächelte. »Du hältst immer deine Versprechen.« Sie hielt mir das
Taschentuch wieder hin.
    »Das kannst du behalten«, lächelte ich. »Hast du Hunger?«
    »O ja«, rief sie, und ihre Augen leuchteten auf. »Ich habe seit
Ewigkeiten nichts mehr gegessen!«
    »Gut«, meinte ich. »Dann kochen wir!«

    Als
eine halbe Stunde später Nina eintraf, sah sie sich mit großen Augen um. »Wow«,
meinte sie beeindruckt. »Erwartet ihr eine Armee zu Besuch?«
    »Es ist
eine alte Familientradition«, erklärte Ana Lena, ohne aufzusehen, während sie
konzentriert den Teig durch die Walze kurbelte. »Wir machen Lasagne. Von Grund
auf. Ich hoffe, du isst mit.«
    »Hausgemachte Lasagne?«, lachte Nina. »Wen muss ich umbringen, damit
ich einen Teller abbekomme?«
    Irgendwie war es seltsam, die beiden so reden zu hören, dachte ich
etwas später, während ich das Hackfleisch anbriet. Ana Lena war über Nacht
erwachsen geworden. Es gab niemand, der es mehr bedauerte als ich. Oder stolzer
auf sie war. Offenbar hatte sie eine Entscheidung getroffen, und auch Nina
zeigte sehr deutlich, dass sie ebenfalls zu ihrer stand.
    »Er kann mich mal«, meinte Nina, als die beiden die Soße
abschmeckten. »Ich hab ihm gestern Abend noch gesagt, was ich von ihm halte.
Und dass wir ihn diesmal an den Eiern kriegen. Wo sind die Gewürze?«
    »Hier«, meinte ich und stellte ihr den Gewürzständer hin.
    »Von mir aus kann er mit dem Foto machen, was er will«, fuhr sie
entschlossen fort. »Dann wechsele ich halt die Schule, bei meinen Noten ist das
kein Problem.«
    Ich sah, wie Ana Lena sich versteifte.
    »Was für ein Foto?«, fragte ich vorsichtig.
    »Der Mistkerl hat mich dabei fotografiert. Hat mir gedroht, dass,
wenn ich nicht die Schnauze halte, er dafür sorgt, dass jeder Junge in

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