Der Müllmann
fiel nicht ein, woher ich ihn kannte.
»Ferdinand Anschütz ist sein Name«, erklärte Marietta. »Er hat in
Frankfurt bei der Bundesbank gearbeitet.«
»Ja?«
»Gestern Abend hat ihn jemand im Parkhaus an der Konstablerwache mit
einer Autobombe ermordet. Ihn … und seine gesamte Familie.«
»Es hat die gesamte Familie erwischt?«, fragte ich. »Die Autobombe
im Parkhaus? Ich habe in der Zeitung davon gelesen. Vier Tote, acht Verletzte,
nicht wahr?«
»Ja. Es war reiner Zufall, dass es nicht noch mehr Opfer gegeben
hat«, sagte sie und musterte mich genauer. »Sag mal, mit Sprengstoffen kennst
du dich doch aus? Und komm mir nicht mit Toilettenpapier, deine Sprengscheine
sind aktenkundig.«
»Wie mein Waffenschein und meine Waffenbesitzkarte … und meine
Steuererklärung«, sagte ich ruhig. »Was willst du von mir? Soll ich dir ein
Alibi geben?«
»Nein«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Ich habe gerade an etwas
gedacht. Hier …« Sie schob das Bild auf dem iPad weiter und zeigte mir das Trümmerfeld
im Parkhaus. »Ich werde die Antwort von den Kollegen im Labor bekommen … aber
vielleicht kannst du sie mir schon jetzt geben. Wie viel Sprengstoff braucht
man, um so eine Verwüstung anzurichten?«
»Ich bin kein Sachverständiger«, begann ich, doch sie winkte ab.
»Ich brauche nur eine Größenordnung.«
Ich musterte die Verwüstung, die Rückstände an der Betondecke, die
Stratifizierung des Betons. Sonderlich gut war das Bild nicht, aber ich hatte
so etwas oft genug gesehen.
»Kaum mehr als dreihundert Gramm«, schätzte ich und hielt
Zeigefinger und Daumen ein Stück auseinander. »Ein Stück, so groß in etwa.« Ich
sah kopfschüttelnd auf das Bild. »Maßlos übertrieben.«
»Ja«, sagte sie und nickte langsam. »Das haben wir uns auch
gedacht.« Warum hatte sie mich dann gefragt? Sie schob das Bild weiter und
hielt mir das iPad hin.
»Deswegen sind wir hier«, erklärte sie. »Sag mir, ob du diesen Mann
schon einmal gesehen hast.«
Das Video stammte wohl von einer Überwachungskamera und zeigte einen
Mann mit Lederjacke und Sonnenbrille, der den Schrankenapparat des Parkhauses
bediente. Der Ungar.
»Ich erkenne die Uhr, die Jacke und die Sonnenbrille wieder«, nickte
ich. »Der Kerl muss lichtempfindlich sein, um die Uhrzeit war es ja wohl schon
dunkel.«
Marietta sah mich an und seufzte. »Ich hatte vergessen, wie präzise
du sein kannst«, sagte sie dann. »Du hast recht, es dürfte schwer sein, ihn aus
diesem Winkel heraus zu identifizieren. Aber du erkennst die Kleidungsstücke
wieder?«
»Ja. Vor allem die Uhr«, sagte ich und konnte es selbst kaum
glauben. Der Ungar war also noch immer in der Gegend. Und dieser Anschütz
gehörte wohl zu den Problemen, die er lösen sollte. Der Kerl war wirklich ein
Arschloch. Eine gottverdammte Autobombe? Nicht nur, dass eine Bombe heutzutage
alle Alarmsirenen schrillen ließ und jeder gleich Terroristen vermutete, es war
dem Mistkerl offenbar auch noch vollständig egal, wen er sonst noch erwischte.
»Wer … wer saß noch mit im Wagen?«, fragte ich.
»Seine Frau, zweiunddreißig, seine Töchter Marie und Frederike, zehn
und vier Jahre alt«, erklärte Marietta, während sie den iPad wieder
entgegennahm, den ich ihr hinhielt. »Du bist bereit, unter Eid zu bestätigen,
dass du diese Kleidungsstücke und die Uhr wiedererkannt hast?«
»Ja«, sagte ich und unterdrückte einen Seufzer. Dieser Ungar war
wahnsinnig, ein echter Soziopath. Wahrscheinlich wäre es ihm egal gewesen, wenn
das ganze Parkhaus eingestürzt wäre. »Sag, gibt es irgendwelche Hinweise
darauf, dass dieser Anschütz Dreck am Stecken hatte?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Wie kommst du darauf?«
»Valente war ein Krimineller, und es sieht nach demselben Attentäter
aus.«
»Dieselbe Lederjacke, meinst du?«, fragte sie etwas spitz,
schüttelte aber dann den Kopf. »Es ist noch zu früh, um so etwas zu sagen, aber
mein Bauchgefühl sagt mir, dass Anschütz sauber ist. Aber du hast recht.« Sie
tippte auf das Standbild auf ihrem iPad, das den Ungarn zeigte. »Die beiden
Morde haben nichts miteinander gemeinsam. Bis auf ihn hier. Das wiederum sagt
uns, dass wir den Fall Valente anders angehen müssen, persönliche Motive
scheiden jetzt wohl aus.« Sie schaltete das iPad aus und steckte es wieder ein.
»Das war es auch schon. Wenn du bei Gelegenheit Zeit finden könntest, deine
Aussage auf dem Präsidium zu wiederholen?«
»Jetzt gleich?«, fragte ich, doch sie
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