Der Müllmann
dem
Fahrer war aus diesem Winkel wenig zu erkennen, nur die Hand am Lenkrad, als
der BMW über den Rasen schlitterte, den Zaun des Nachbarn und dessen Gartenzwerge
niedermähte, auf der Straße hin und her schleuderte und dann mit quietschenden
Reifen um die Ecke schoss.
Der BMW hatte Ninas Roller zwischen sich und der vorderen rechten
Ecke der Garage zerdrückt, unter dem Roller halb begraben lag Nina, die mit
weit aufgerissenen Augen zu mir hochsah und hustete. Blut tropfte aus ihrem
Mund auf ihre weiße Bluse, während ihre Augen mich um Hilfe anflehten.
Hinter mir hörte ich die Mädchen schreien, während die Welt um mich
herum dumpf wurde. »Ruf den Krankenwagen!«, schrie ich Ana Lena an, während ich
den Roller vorsichtig anhob, unter dem Nina begraben lag.
Ein Stück Blech hatte sich in ihren linken Oberschenkel gebohrt,
dort färbte sich Ninas Jeans bereits blutig, doch die Art, wie sie dalag, ließ
mich noch Schlimmeres befürchten. Ich schrie Jenny an, die mit der Hand vor dem
Mund dastand. Sie reagierte nicht, also packte ich sie, zog sie zu Nina hin,
drückte Jennys Hand auf die andere Wunde an Ninas Seite, wo das Blut durch den
Stoff quoll, und rannte zu meinem Wagen. Ich hatte einen Verbandkasten im Fond,
aber die Erste-Hilfe-Tasche befand sich im Kofferraum. Scheiß drauf, dachte ich
grimmig, als ich den Hundetreter zur Seite drückte und den Koffer herauszog,
wenn ihn jemand sah, dann war es halt so! Ich knallte den Kofferraum wieder zu
und rannte zu Nina zurück.
»Bleib bei uns«, rief ich ihr zu, als ich den Koffer aufriss. »Bleib
ja bei uns, hörst du?«
Nina hustete, wollte etwas sagen. Ich beugte mich über sie, während
ich ihre Jeans aufschnitt.
»Warum tut es nicht weh?«, fragte sie leise. »Es muss doch wehtun,
oder nicht?«
»Das wird schon wieder«, beruhigte ich sie. »Das kommt alles wieder
in Ordnung.«
»Ich habe Sie vollgeblutet«, stellte sie fest, während sie immer
bleicher wurde. »Es tut mir leid. Das wollte ich nicht. Ich zahle Ihnen die
Reinigung, ehrlich.«
»Mach dir darum keine Sorgen«, bat ich sie. »Ich …« Doch sie hörte
mich nicht mehr. Einen Moment lang befürchtete ich, dass es schon zu spät war,
doch dann fühlte ich ihren Puls am Hals, schnell und schwach.
Ich drückte so fest ich konnte auf ihre Beinschlagader, aber es half
nichts, das warme Blut quoll unter meinen Fingern hervor und tropfte auf den
staubigen Boden, wo es sich zu einer immer größer werdenden Lache sammelte.
Später erfuhr ich, dass es nur wenige Minuten gedauert hatte, bis
der Krankenwagen bei uns war, aber es fühlte sich an wie eine Ewigkeit.
Ich stand vor dem Eingang der Uniklinik und rauchte eine
Zigarette, als ich Marietta und Kommissar Berthold auf mich zukommen sah.
»Wie geht
es Nina?«, fragte Marietta, während sich Berthold ebenfalls eine Zigarette
anzündete. Wenigstens war der Mann nicht komplett perfekt.
»Sie ist noch im OP«, antwortete ich. »Es war nicht so leicht,
herauszufinden, wie es aussieht, aber Jennys Mutter, Frau Dr. Michels, ist auch
gekommen. Im Moment kümmert sie sich um Ana Lena und Jenny. Sie arbeitet hier
als Neurochirurgin und hat erfahren, dass Nina wahrscheinlich überleben wird.
Uns hat man ja nichts sagen wollen«, meinte ich bitter und trat die Zigarette
aus.
»Sie sehen beschissen aus«, stellte Kommissar Berthold fest und
musterte meine blutige Kleidung.
»Danke«, meinte ich grimmig.
»Wie schlimm ist es?«, fragte Marietta.
»Ein Trümmerbruch im rechten Oberschenkel und im linken Unterarm.
Sie hat vier gebrochene Rippen, und ihr Becken ist dreifach gebrochen. Das
Problem sind die inneren Verletzungen, aber man hat wohl die Blutungen gestoppt
und mit etwas Glück trägt sie keine bleibenden Schäden davon.«
Ich zog eine neue Zigarette aus der Schachtel.
»Du rauchst zu viel«, stellte Marietta fest.
»Ja. Es ist aber auch ein beschissener Tag.« Ich schob die Zigarette
wieder in die Schachtel und steckte sie weg. »Weshalb seid ihr hier? Die Kripo
hat meine Aussage schon aufgenommen. Wahrscheinlich graben sie gerade meinen
Garten um.«
»Irgendwo muss die Spurensicherung ja anfangen«, meinte Berthold.
»Wenn sie etwas finden, das euch nützt, soll es mir recht sein«,
meinte ich und schüttelte den Kopf. »Also gut, wie kann ich euch helfen?«
»Ich habe bei den Kollegen nachgefragt. Sie sagen, du hättest den
Wagen auf der Straße stehen sehen?«
»Ja. Ich hab ihn gesehen und mir nichts dabei gedacht«, sagte
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