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Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Wolkenwand
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schwarzen BMW stehen. Die alte Dame bekam so selten Besuch, dass ich mich
neugierig fragte, wer das wohl war, doch dann sah ich, dass in dem Wagen jemand
saß, der gerade einen Faltplan ausbreitete, ach so, dachte ich, nur jemand, der
sich verfahren hatte.
    Dafür
standen jetzt drei Roller vor dem Haus, der dritte Roller trug eine lila
Glitzerlackierung, die ich schon kannte, offenbar war nun auch Jenny dazugekommen.
Ich fand die drei Grazien in der Küche an der Kaffeetheke sitzend vor.
    »Guten Tag, Herr Schmitt«, begrüßte Jenny mich mit einem Lächeln.
»Ich habe Käsekuchen mitgebracht.« Sie hob den Teller hoch. »Auch ein Stück?«
    Die Portion Lasagne, die sie vorhin verdrückt hatten, hätte für ein
Infanterieregiment reichen sollen. Offenbar waren auch Nina und Ana Lena der Meinung,
dass noch ein Stück Kuchen dazupassen würde, ich fragte mich nur, wohin es
rutschte, die drei Mädchen waren gertenschlank.
    Oder es ist das Alter, dachte ich, als ich dankend nickte. Wie es
bei ihren Freundinnen war, konnte ich nicht beurteilen, aber Ana Lena war immer
irgendwie in Bewegung. An und für sich hätte sie alleine schon für die Planung
ihrer Freizeitaktivitäten einen Terminplaner gebraucht.
    »Wir haben uns entschlossen, das durchzuziehen«, teilte mir Ana Lena
mit, während ihr Lächeln messbar an Strahlkraft verlor.
    »Der Typ wird nicht damit durchkommen«, fügte Nina entschlossen
hinzu.
    »Al hat eben mit Ihrer Freundin, der Kommissarin gesprochen«, meinte
Jenny. »Stimmt es, dass Sie sie seit über zwanzig Jahren kennen und sie bei der
Mordkommission ist?«
    »Ja.«
    Jenny schien von der Antwort etwas enttäuscht zu sein.
    »Marietta telefoniert gerade mit Jennys Mutter«, fuhr Al fort. »Sie
hat mich untersucht, als ich zu Jenny gefahren bin, und … und das ist gut, weil
ich mich nicht noch einmal untersuchen lassen werde.«
    Ich hatte Mühe, den Bissen Käsekuchen herunterzuschlucken, er
schmeckte plötzlich wie Pappe. Auch wenn ich mich nur bedingt in die Mädchen
hineinversetzen konnte, sah ich doch, wie viel Mut und Überwindung es die
beiden kostete. Vor allem Nina machte deutlich, dass sie ihre Entscheidung
gefällt hatte.
    »Ich war damals auch bei meiner Ärztin«, teilte sie uns jetzt mit.
»Sie hat Fotos gemacht und … mehr. Hauptkommissarin Steiler will sich auch mit
ihr in Verbindung setzen. Sie hat versprochen, es uns so leicht wie möglich zu
machen. Wir sollen möglichst heute noch nach Bad Homburg, auf die Polizeidienststelle
dort. Es wird eine Therapeutin dabei sein, die zugleich auch Ärztin ist und …«
Sie brach ab und schluckte. »Können Sie uns hinfahren?«
    Ich hatte mich nie für einen Feigling gehalten, aber in diesem
Moment wäre ich am liebsten geflohen. »Natürlich«, sagte ich. »Was ist mit deinen
Eltern?«
    »Sie sind beide in Amerika. Geschäftlich«, sagte Nina. »Ich lebe
zurzeit bei meiner Großmutter, und sie will ich damit nicht belasten. Sie weiß
es gar nicht.«
    Und die Eltern auch nicht, dachte ich. »Jetzt gleich?«
    »Nicht sofort«, sagte Ana Lena tapfer. »Erst wenn ich meinen Kaffee
getrunken habe.«
    »Ich komme auch mit, wenn ich darf«, meinte Jenny. »Meine Mutter
wird mich dann später dort abholen.«
    »Kann ich meinen Roller bei euch in die Garage stellen?«, fragte
Nina. »Es soll heute noch regnen, und ich hasse es, wenn die Sitzbank nass
wird.«
    Ich hob die Hand, um sie zu unterbrechen. »Natürlich. Die Garage ist
offen.«
    Nina nickte, aß noch schnell das nächste Stück Kuchen und ging zur
Tür.
    »Ich bin gleich wieder zurück.«
    Ich sah ihr hinterher und wandte mich dann Ana Lena zu.
    »Willst du das wirklich tun?«, fragte ich leise.
    Ana Lena nickte. »Ich glaube, ich muss es tun«, sagte sie. »Ich …«
    Ich hörte das Motorgeräusch im gleichen Moment, in dem sich Ana
Lenas Augen weiteten. Ich wirbelte herum und sah durch das Küchenfenster, wie
der schwarze BMW quer über mein Grundstück raste.
    Viele Menschen reagieren zu langsam, weil sie nicht glauben wollen,
was geschieht. Das hatte ich mir zwar längst abgewöhnt, ich bewegte mich schon,
als ich das Motorgeräusch gehört hatte, aber niemand wäre schnell genug
gewesen. Noch bevor ich die Küchentür erreichte, hörten wir den Schrei, den
dumpfen Schlag, das Kreischen von Metall auf Metall. Der BMW-Motor heulte auf,
Dreck und Rasenstücke wurden hochgeschleudert, als die schwere Limousine
zurücksetzte und beinahe noch mich rammte, als ich aus der Tür stürzte. Von

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