Der Müllmann
noch meine
Mutter gepflanzt.« Sie folgte meinem Blick, die Reifenspuren führten direkt
über das Beet. Zu der Garage mit dem eingedrückten Torrahmen und dem Blutfleck
auf dem Betonboden. Man konnte genau verfolgen, wo er zurückgesetzt hatte, um
dann im leichten Boden über das Nachbargrundstück zu ziehen, wo er auch noch
zwei der geliebten Gartenzwerge meines Nachbarn überfahren hatte. Der stand
gerade da und sammelte die Scherben ein, und die Art, wie er mich dabei ansah,
konnte man nur als mordlüstern bezeichnen.
Ich schloss die Tür auf und bat Marietta ins Haus.
George II. war nicht mehr da, auch seine Leine und sein Fressnapf
fehlten, also hatte Ana Lena ihn schon geholt.
»Einen Kaffee?«
»Gerne«, nickte sie und folgte mir in die Küche. Die Maschine piepte
und gurgelte, ich stellte eine Tasse unter. »Ich bin gleich wieder da.«
Als ich wieder herunterkam, stand Marietta mit der Tasse in der Hand
am Küchenfenster und sah auf die dunkle Straße hinaus. »Ich hab dir auch einen
gemacht«, meinte sie. »Immer noch mit Milch und Zucker?«
»Hat sich nicht geändert. Danke.«
Sie reichte mir die Tasse und lehnte sich gegen die Küchentheke, sah
durch das Fenster nach draußen. »Keine Vorhänge«, stellte sie fest und wandte
sich mir zu. »Stört es dich denn nicht, dass jeder bei euch hineinsehen kann?«
»Ich mag keine Vorhänge«, teilte ich ihr mit. Sie sah mich fragend
an, aber ich sagte nichts weiter. Sollte ich ihr erklären, dass es in meiner
Zelle nur ein kleines vergittertes Loch gegeben hatte, durch das ich noch nicht
einmal den Himmel hatte sehen können?
»Das ist das Haus deiner Eltern, nicht wahr?«, sagte sie dann und
musterte mich über den Rand ihrer Tasse hinweg. »Ana Lena ist auch hier
aufgewachsen?«
»Ja«, nickte ich. »Als Elisabeth schwanger wurde, habe ich ihr
vorgeschlagen, hier zu wohnen. Es ist groß, Platz genug für eine Familie.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich war zu der Zeit bei der Bundeswehr
und kaum hier, es erschien mir das Vernünftigste.«
»Thomas ist in Ordnung«, sagte sie leise.
Ich sah sie fragend an, dem Themenwechsel hatte ich nicht ganz
folgen können. »Kommissar Berthold«, erklärte sie. »Er ist ein verdammt guter
Polizist. Vielleicht zu gut. Wenn er einen Knochen gefunden hat, ist er wie ein
Terrier, der nicht loslassen will.« Sie tat eine Geste mit ihrer Tasse. »Du
hast sie neu eingerichtet.«
»Die Küche? Woher weißt du das?«
»Ich habe Tatortfotos gesehen. Thomas hat sich den Fall kommen
lassen.«
»Hat er das?«
»Er sagt, dass da etwas nicht stimmt.«
»Schnellmerker«, knurrte ich. »Soll ich jetzt froh sein, dass ihr
überhaupt eine Akte angelegt habt? Ich habe jedenfalls nicht das Gefühl, dass
sich deine Kollegen damals sonderlich bemüht hätten.«
»Haben Sie. Erfolglos. Ich habe die Akte mehrfach durchgeschaut, um
zu sehen, ob ich etwas anders oder besser hätte machen können. Es blieben
einfach zu viele Fragen offen. Es gab Spuren eines Kampfs. Blut von deiner
Schwester und von deinem Schwager. Mehr von seinem als von ihrem. Er muss
ziemlich schwer verletzt gewesen sein. Es gab ein blutiges Messer. Mit seinem
Blut und den Fingerabdrücken deiner Schwester. Und dennoch soll er sie entführt
haben? Er muss geblutet haben wie ein Schwein, aber auf dem Gehweg gab es nur
Blutspuren von ihr.«
»Findet ihn und fragt ihn, wie er es gemacht hat«, meinte ich
bissig. »Ich glaube, es ist besser, ich rufe dir ein Taxi.«
»Das ist nicht nötig«, sagte sie leise. »Es tut mir leid, Heinrich.
Thomas ist gründlich, und er ist gut. Er ist der Ansicht, dass du etwas weißt,
das du den Kollegen damals vorenthalten hast. Ich will nur wissen, ob er recht
hat.«
»Warum?«, fragte ich kühl. »Sucht er einen neuen Sündenbock?«
»Nein«, wehrte sie betroffen ab. »Er will nur sichergehen, dass ich
es nicht bereue.«
»Was bereuen?«, fragte ich ungehalten. »Ich …«
Weiter kam ich nicht. Marietta stellte die Tasse ab, griff nach
meiner Krawatte und zog mich zu sich heran. »Das«, sagte sie und küsste mich.
Es war wie ein Nachhausekommen und als ob die zwanzig Jahre nie
gewesen wären. Ihre Lippen waren fordernd und weich zugleich. Ich zog sie an
mich heran, sie passte, als wäre sie eigens für mich gemacht. Während ich sie
hielt, ihren Geruch einatmete, dachte ich, dass ich mich in ihr verlieren
könnte. Überraschenderweise erschreckte mich der Gedanke nicht.
Weil du es schon immer gewusst
hast.
»Mir kommt es
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