Der Müllmann
Friedmann erfreut. »Ich
habe Ihren Anruf erwartet. Haben Sie über unseren Vorschlag nachgedacht?«
Offenbar hatte sich Gernhardt energisch für mich eingesetzt, und
wenn ich Friedmann glauben durfte, dann war das Ganze bis hoch zum
Verteidigungsminister gegangen. »Sehen Sie es als eine Art Wiedergutmachung«,
meinte der General zum Schluss. »Und willkommen zurück.«
Ich legte auf und spielte mit dem Füller herum, während ich
nachdachte. Der General war gerade wie ein Ladestock. Gernhardt traute ich
alles zu, aber General Friedmann konnte ich vertrauen. Auch wenn ich es kaum
glauben konnte, es schien, als wäre alles koscher.
Und trotzdem …
Vielleicht war ich auch nur paranoid.
Du weißt, was man über Paranoia
sagt.
Ja. Sie ist vor allem dann nützlich, wenn es keine ist.
Ich schob den USB-Stick ein, den Gernhardt mir gegeben
hatte, ließ die vier mir von Brockhaus empfohlenen Sicherheitsprogramme
darüberlaufen und sah mir dann den Inhalt an. Milos Horvath war zweiunddreißig
Jahre alt, und alles in seiner Akte wies darauf hin, dass man besser bedient
gewesen wäre, einen weiten Bogen um den Mann zu machen.
Ich lehnte
mich in meinem Sessel zurück und musterte nachdenklich Horvaths Bild. Es war
über vier Jahre alt und zeigte einen jungen Mann mit schmalen Lippen, dunklen
Augen, wirrer Frisur und einem Bart, der den größten Teil des Gesichts
bedeckte. Das war das einzige Bild von dem Ungar? Ich schüttelte ungläubig den
Kopf. Rasierte man den Bart ab und gab dem Kerl eine andere Frisur, konnte er
vor mir stehen, ohne dass ich ihn erkennen würde! Ich versuchte, mir
Augenpartie, Profil und Ohren einzuprägen und mich möglichst genau daran zu
erinnern, was ich von ihm im Café gesehen hatte. Ja, der Mann auf dem Bild
passte zu dem Mann, den ich gesehen hatte. Und einem halben Dutzend anderen, denen
man täglich in der U-Bahn begegnen konnte.
Ich las weiter.
Die Akte enthielt Stationen aus Horvaths Lebenslauf, Adressen, an
denen er gewohnt hatte oder angeblich gesichtet worden wäre. Die aktuellste war
drei Jahre alt. Keine E-Mail, die überwacht wurde, keine aktuellen
Bankverbindungen. Das Einzige, das irgendeinen Nährwert besaß, war der Name,
unter dem der Mann vor zwei Wochen nach Frankfurt geflogen war: Achim Krüger,
angeblich Geschäftsmann aus Hamburg.
Unter den Sprachen, die Horvath beherrschen sollte, waren
Französisch und Italienisch, Ungarisch und Englisch. Deutsch wurde nicht
erwähnt. Aber eine deutsche Identität anzunehmen, ohne Deutsch sprechen zu können,
wäre eine Dummheit, die ich Horvath nicht zutraute.
Die gesamte Akte war Müll. Ich fischte die Plastikkarte aus dem
Stapel heraus und wollte mich gerade in die Datenbank des BND einloggen, als
mir der Gedanke kam, dass es Gernhardt leicht arrangieren konnte, dass ich dort
nur das sah, was er mich sehen lassen wollte. Gernhardt war ein Arschloch. Aber
niemand hatte ihm je unterstellt, dass er nicht gerissen oder clever wäre.
Wieder ließ ich das Gespräch mit Gernhardt Revue passieren.
Irgendetwas hakte. Selbst der General hatte bestätigt, dass der Dienst es mit
dem Angebot ernst meinte. Wer weiß, vielleicht bereute Gernhardt tatsächlich,
was er getan hatte, und wollte auf seine Art Wiedergutmachung leisten. Es sah
alles danach aus. Es war nicht nur meine Paranoia, entschied ich. Er hatte
irgendetwas gesagt, das mich misstrauisch werden ließ. Nur was es war, darüber
zermarterte ich mir erfolglos den Kopf. Aber mein Bauchgefühl beharrte darauf,
dass irgendetwas unstimmig war. Irgendetwas war faul.
Die Gretchenfrage lautete: Hatte Gernhardt in Bezug auf Horvath die
Wahrheit gesagt? War der Mann tatsächlich hinter mir her? Waren das Bild, der
Name und die wenigen Daten, die ich über den Ungar von ihm erhalten hatte,
echt?
Wahrscheinlich schon. Wo auch immer bei Gernhardts Angebot der Haken
war, das, was hier über Horvath stand, war alles, was ich hatte.
Und dennoch. Irgendetwas stank hier noch mehr als mein alter Freund,
der Hundetreter.
Ich sah auf die Uhr. Halb drei Uhr morgens. Genau die richtige Zeit,
um den Hacker meines Vertrauens anzurufen.
Tatsächlich klang er frisch und munter, und zur Begrüßung fragte er
natürlich gleich nach Richter. »Ist das Problem erledigt?«
»Nein«, sagte ich leicht gereizt. »Ist es nicht. Die Bahn hatte
Verspätung.«
»Was hat denn die Bahn damit zu tun?«
»Darauf will ich jetzt nicht eingehen«, sagte ich. »Aber ich kümmere
mich um ihn, sobald ich
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