Der Müllmann
musterte Meinert. Wie wird man eine Leiche los?
So schnell noch nicht. Im Moment konnte ich es noch nicht riskieren,
ein paar Tage musste ich ihn schon noch zwischenlagern. Einer der Kellerräume
war mit einer schweren Metalltür verschlossen. Daneben stand ein kleines
Kühlaggregat, dessen Schläuche zu dem Raum führten. Ich zog die Türe auf und
verzog das Gesicht, es stank auch hier recht übel. Ich schaltete das Kühlaggregat
an, nahm eine lange Zange von der Werkzeugwand hinter dem Werktisch und wollte
mich gerade daranmachen, die Nadeln des Elektroschockers aus seinem Gaumen zu
entfernen, als mir eine Idee kam. Vielleicht fand sich ja für den Hundetreter
noch eine sinnvolle Verwendung. Also wickelte ich ihn wieder ein und trug ihn
in den Kühlraum. Dort sollte Meinert sich noch ein paar Tage halten. Ich
schloss die Tür, wollte schon gehen. Doch etwas hielt mich auf.
Langsam ging ich an die erste Kühltruhe und hob den Deckel ab. Es
knirschte etwas, es war schon eine Weile her, dass ich Frank das letzte Mal
besucht hatte.
Ich hob die Klappe. Unter der Eisschicht war die Plastikplane noch
immer blutig, und trotz der Eiskristalle, die sich im Lauf der Jahre gebildet
hatten, war die klaffende Stichwunde in seiner Kehle deutlich zu erkennen.
»Was, zur Hölle, ist damals nur geschehen?«, fragte ich meinen
Schwager, doch wie üblich gab der keine Antwort. Sechs Jahre waren lang genug,
entschied ich. Es wurde Zeit, dass ich endlich damit anfing, mein Leben
aufzuräumen. Einen Schlussstrich zu ziehen. Wo auch immer sich Elisabeth gerade
herumtrieb, sie wusste, wo sie mich finden konnte. Es lag bei ihr.
Ich öffnete den Tresor und nahm die Akte heraus, musterte noch
einmal gründlich die Fotos, die ich von ihm gemacht hatte.
Seine Knöchel waren blutig. Eine DNA-Analyse hatte ich nicht machen
können, aber die Blutgruppe ließ vermuten, dass es sich um Elisabeths Blut
handelte. Das gleiche Blut befand sich an seinen Schuhen, hatte Spritzer auf
seiner Hose und dem Hemd hinterlassen.
Die nächsten Bilder waren die von unserer alten Küche. Auch hier gab
es Blut auf dem Boden. Von ihr, verwischt und verspritzt, von ihm, in einem
Sturzbach und in einer großen Lache.
Was zur Hölle war damals geschehen? Er hatte sie verprügelt. Sie
fiel zu Boden. Er trat weiter auf sie ein. Die Polizei hatte einen ihrer
Ohrringe gefunden, er hatte sie so hart getreten, dass er ihr den aus dem Ohr
herausgerissen hatte. Ich sah sie jetzt dort liegen, zusammengekrümmt, die
Hände erhoben, um seine Schläge und Tritte abzuwehren.
Was ich nicht sah, nicht sehen, nicht verstehen konnte, war, wie
Elisabeth dann noch imstande hätte sein sollen, ihm mit dem Messer seitlich in
die Kehle zu stechen. Ein sehr präziser Stich. Wie von jemandem, der wusste,
wie man jemandem die Kehle durchschneidet. Der Schnitt war tief und ging von
rechts nach links, war in einem Bogen ausgeführt, als wäre sie hinter ihn
getreten und hätte ihm das Messer durch die Kehle gezogen. Franks Knöchel waren
blutig, aber es gab keine Abwehrverletzungen an ihm. Als hätte er nur
dagestanden und sich nicht gewehrt. Der Schnitt verlief etwas schräg, was kein
Wunder war, da Elisabeth deutlich kleiner war als er.
Auch der Blutschwall, die Verteilung seines Blutes in der Küche,
zeigte, dass er gestanden hatte, als es geschehen war. Keine Spuren, die darauf
hinwiesen, dass er irgendwie gefesselt gewesen wäre.
Der Mistkerl schlägt meine Schwester zusammen und bleibt dann
einfach ruhig stehen und lässt sich von ihr die Kehle durchschneiden?
Es ergab auch jetzt nicht viel mehr Sinn als damals. Ich hatte Frank
auf seinen Knien, mit dem Rücken an unseren alten Küchenschrank gelehnt vorgefunden,
den Kopf nach vorne gebeugt, die blutigen Hände locker neben seinen Schenkeln.
Er hatte noch versucht, sich den Schnitt zuzuhalten, das bestätigten auch die
Blutspuren. Das Blut war frisch gewesen, warm. Es musste sich alles wenige
Minuten, bevor ich nach Hause gekommen war, abgespielt haben.
Die Polizei hatte alles überprüft. Nein, es hatte kein Taxi gegeben,
das zu unserer Adresse gerufen worden war. Es gab außer Frau Kramer keinen
weiteren Zeugen, der Elisabeth gesehen hatte, obwohl sie hätte auffallen
müssen. Bei der Menge Blut, die es in der Küche gegeben hatte, musste sie von
oben bis unten damit befleckt gewesen sein. Als Frank sie aus dem Krankenhaus geholt
hatte, war sie schwach gewesen, konnte kaum ohne Hilfe laufen. Und trotzdem war
sie spurlos
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