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Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Museion-Komplexes auch direkt vom Palast aus erreichen können, aber ich zog es vor, ein Gefühl für die Stadt zu bekommen. Wenn man wie ich in einer großen Stadt aufgewachsen ist, hat man ein Gespür für Städte, genau wie ein Bauer ein Gespür für fruchtbares Land oder ein Seemann ein Gespür für das Meer hat. Diese Menschen mochten Fremde sein, aber sie lebten in einer Großstadt, und alle Großstadtmenschen haben gewisse Dinge gemeinsam.
    Meine Knochen sagten mir, daß dies eine satte, selbstgefällige Bevölkerung war. Wenn es Unzufriedenheit gab, war sie unbedeutend. Hätten sich Unruhen oder ein Volksaufstand zusammengebraut, ich hätte es gewußt. Die Alexandriner waren dafür bekannt, sich von Zeit zu Zeit zu erheben oder gelegentlich sogar den einen oder anderen König zu töten oder zu vertreiben, aber diese Menschen waren viel zu beschäftigt damit, Geld zu verdienen oder sich anderweitig zu amüsieren, als daß sie eine ernsthafte Bedrohung dargestellt hätten.
    Unzufriedenheit unter der Bevölkerung ist in polyglotten Städten wie Alexandria stets eine Gefahr, weil Stammesfehden häufig stärker sind als der Respekt vor Gesetz und Ordnung.
    Nicht, daß wir Römer in dieser Hinsicht einen Ehrenplatz vor anderen Nationen einnehmen würden. Unsere Unruhen gründen sich jedoch in aller Regel eher auf Klassen- als auf Stammesunterschiede.
    »Denk nicht einmal dran, Hermes«, sagte ich.
    »Woher weißt du, woran ich denke«, gab er in gekränkter Unschuld zurück, und ich wußte, daß ich recht gehabt hatte.
    »Du denkst:>Dies ist ein Ort, wo ein einigermaßen vorzeigbarer Bursche leicht in der Masse untertauchen kann, und wer sollte es bemerken? Hier kann ich mich als freier Mann ausgeben, und keiner wird je wissen, daß ich einmal ein Sklave war.    »Nie und nimmer!« erwiderte er vehement. »Nun, das höre ich gerne, Hermes, denn es gibt viele grausame und brutale Männer in dieser Stadt, die nichts anderes tun, als nach entlaufenen Sklaven zu suchen, um sie gegen Belohnung zu ihrem alten Herrn zurückzubringen oder sie an einen neuen zu verkaufen. Solltest du eines Morgens verschwinden, müßte ich sie das nur wissen lassen, und noch vor Einbruch der Dunkelheit wärst du wieder zurück. Alexandria ist zwar eine große Stadt, aber die Dialekte und der Tonfall römischer Straßen sind hier nicht sonderlich verbreitet. Vergiß also derartige Träumereien und widme dich deinem Dienst. Eines Tages werde ich dich schon freilassen.«
    »Du hast mir von Anfang an nicht vertraut«, beschwerte er sich. Ich konnte verstehen, warum er so dachte. Schließlich hielt ich ihm alle paar Tage den gleichen Vortrag, von einigen unbedeutenden Variationen einmal abgesehen. Man kann Sklaven nie wirklich vertrauen, und manche von ihnen sind wie Hermes noch weniger vertrauenswürdig als andere.
    Wie die meisten Tage in Alexandria war auch der heutige recht angenehm. Das Klima war natürlich nicht so ideal wie in Italien, aber außer Italien gibt es auch kein Land, das ein solches Klima hat. Die Menschenmassen wirkten lebhaft und fröhlich, und der Duft von Weihrauch mischte sich mit dem alles durchdringenden Geruch des Meeres. In vielerlei Hinsicht war Alexandria eine aromatischere Stadt als Rom. Ausgerüstet mit meiner königlichen Ernennung, erstieg ich die Stufen zum Museion. Ich wollte dem zugehörigen Tempel unbedingt einen weiteren Besuch abstatten, aber heute morgen hatte ich dringendere Geschäfte zu erledigen. Ich betrat das Gebäude und passierte die Vorlesungssäle, die vom leiernden Vortrag diverser Philosophen widerhallten, den langen Säulengang der Peripatetiker hinunter bis zu dem Hof, in dem Iphikrates' phantastische Kanalschleuse einsam und unbeachtet in der Sonne stand. Bis zur Vollendung dieses Projekts, sinnierte ich, würde wohl noch geraume Zeit verstreichen.
    Ich betrat Iphikrates' Gemächer, die offenbar aufgeräumt worden waren. Das Blut auf dem Boden war weggeschrubbt, und zwei Sekretäre kritzelten etwas, wobei sie die auf dem großen Schreibtisch ausgebreiteten Schriftstücke und Zeichnungen mit einander verglichen. Ein dritter Mann wandelte mit verwirrter Miene im Arbeitszimmer umher.
    »Ist die Inventur bald abgeschlossen?« fragte ich.
    »Fast fertig, Senator«, sagte der ältere der beiden Sekretäre.
    »Mit den Zeichnungen sind wir so gut wie durch. Das«, er wies auf ein auf dem Tisch liegendes Papyrus, »ist die Liste seiner Schriften, und das«, er

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