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Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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beobachtete uns. Ein Schakal spitzte seine Ohren in unsere Richtung. Letztere sind recht anmutige kleine Tiere, unseren Füchsen nicht unähnlich.
    »Hermes«, flüsterte ich, als er zum etwa zwanzigsten Mal zusammenfuhr, »die wirklich gefährlichen Tiere kommen erst noch, und du wirst sie daran erkennen, daß sie Waffen tragen.«
    Das beruhigte ihn.
    Mit überraschender Plötzlichkeit ging der dichte Bewuchs des Ufers in Nutzland über. Wo das hohe Gras endete, war ein Deich aufgeschüttet worden, vermutlich gegen die periodischen Überschwemmungen des Sees. Wir erklommen ihn auf allen vieren. Oben angekommen, hob ich vorsichtig den Kopf, bis ich über die Kuppe hinweg sehen konnte.
    Auf der anderen Seite erstreckte sich kultiviertes Land, aber die Felder lagen brach, und man hatte allem Anschein nach Gras gesät, um sie mindestens ein oder zwei Jahre als Weideland zu verwenden. Einige gescheckte ägyptische Rinder mit gebogenen Hörnern grasten friedlich auf der satten Weide. In der Ferne konnte ich vage verschiedene Gebäude und Objekte mit seltsamen Konturen erkennen, einschließlich eines Bauwerkes, das wie ein hoher Wachturm aussah. Den wollte ich mir näher ansehen, doch es war noch zu hell, um die Weide offen zu überqueren, wo wir leicht hätten gesehen werden können. Einige hundert Meter weiter links entdeckte ich eine Dattelpalmenplantage. Ich duckte mich hinter die Deichkuppe, und Hermes folgte meinem Beispiel.
    »Wir wollen doch nicht etwa dieses Feld überqueren, oder?«
    fragte er. »Es ist voller Kuhscheiße, und diese Viecher haben spitze Hörner.«
    »Ich habe keine Bullen gesehen«, erklärte ich ihm. »Aber keine Sorge. Wir werden zu der Dattelpalmenplantage dort drüben gehen und uns einen Weg zwischen den Bäumen bahnen.« Er nickte begeistert. Er war von Natur aus verstohlen und hinterhältig, so daß ihm unser Abenteuer mit Ausnahme der Tiere gefiel.
    Wir legten den kurzen Weg zurück, kletterten auf den Deich und stiegen ins kühle Dunkel der Plantage hinab. Sie wirkte genau wie die Felder verlassen. Die Früchte des letzten Herbstes lagen als Futter für Schweine und Paviane auf dem Boden, während sich über uns weitere Affen tummelten, die genüßlich die diesjährige Ernte verspeisten.
    »Dies ist eines der fruchtbarsten Ackergrundstücke auf der ganzen Welt«, sagte ich, »und irgend jemand läßt es verkommen. Das paßt nicht zu einem Ägypter.« Der Anblick verletzte die Überreste meiner römischen Landseele. Hermes hingegen zeigte sich ungerührt, aber Sklaven verrichten ja auch die eigentliche Arbeit, während wir Landbesitzer uns in einer Art Agrar-Nostalgie ergehen konnten, gespeist von Legenden unserer tugendhaften Vorfahren und pastoraler Poesie.
    Wir bewegten uns vorsichtig durch die Plantage und ließen immer wieder die Blicke nach möglichen Beobachtern schweifen. Einmal kreischte und johlte eine Horde Paviane und bewarf uns mit Dung und Datteln. Im Gegensatz zu den livrierten Dienern bei Hof waren diese Paviane recht bösartige und übellaunige Biester, die aussahen wie haarige Zwerge mit langen, mit kräftigen Reißzähnen ausgestatteten Schnauzen.
    »Glaubst du, der Lärm hat uns verraten?« fragte Hermes, als wir an ihnen vorbei waren.
    »Paviane machen immer solchen Krach. Sie schreien sich gegenseitig genauso an wie einen Eindringling. Jeder hier kennt das.«
    Vom äußersten Rand der Plantage konnten wir die Dächer der Gebäude sehen, aber das Gras war so hoch gewachsen, daß man sonst nichts erkennen konnte mit Ausnahme des extrem hohen Turms, der im Licht der untergehenden Sonne in leuchtendem Rot erstrahlte. Hermes zeigte auf das Ungetüm.
    »Was ist das?« flüsterte er.
    »Ich glaube, ich weiß es, aber ich möchte ihn mir trotzdem einmal näher ansehen«, erwiderte ich ebenso flüsternd. »Von jetzt an mußt du ganz leise sein und dich nur noch sehr langsam fortbewegen. Behalte mich im Auge und tue alles, was ich tue.« Mit diesen Worten warf ich mich flach auf den Bauch und begann, den Speer neben mir über den Boden ziehend, vorwärts zu robben. Es war eine recht schmerzhafte Art der Fortbewegung, aber dagegen ließ sich nichts machen. Ich zog mich, Ellenbogen voran, durch das hohe Gras und hielt ängstlich nach Schlangen Ausschau, die es in Ägypten überreichlich gibt.
    Ich war nicht so nervös wie Hermes, aber nur ein Narr zieht diese Tiere nicht in Betracht. Wenn man wie ein Reptil auf dem Bauch durch die Gegend kroch, drang man sozusagen in das Reich

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