Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
Vom Netzwerk:
der Schlangen ein und sollte gewappnet sein, sich ihnen zu stellen - oder besser zu legen.
    Nach ein paar Minuten Robben hatte ich den Rand der hohen Wiese erreicht und wartete, bis Hermes neben mir war. Langsam wie Pantomimen bogen wir die Halme vor unseren Nasen beiseite und ließen den Blick über das Feld schweifen.
    Umgeben von landwirtschaftlichen Nutzgebäuden aus Lehm, dem gewöhnlichen Baustoff Ägyptens, lag ein breites Feld aus festgetretener Erde, das aussah wie ein Exerzierplatz. Es war auch tatsächlich ein Exerzierplatz, denn die Menschen, die sich darauf bewegten, waren unverkennbar Soldaten. Das wußte ich, obwohl keiner von ihnen Rüstung oder Helm angelegt hatte, denn sie trugen Militärstiefel und Schwertgürtel, ohne die sie sich wahrscheinlich nackt gefühlt hätten. Es war eine gemischte Truppe aus Makedoniern und Ägyptern, und sie wurden an der fantastischsten Batterie von Kriegsmaschinen ausgebildet, die die Welt seit der Belagerung von Syracus gesehen hatte.
    Ein Trupp bediente einen Apparat, der aussah wie sechs riesige, aneinandergefügte Standarmbrüste. Er wirkte reichlich lächerlich, aber mit einem Klirren, das mich zusammenfahren ließ, wurden auf einmal sechs schwere Wurfspeere gleichzeitig abgefeuert und bohrten sich durch eine Formation von Strohpuppen, die auf der anderen Seite des Feldes aufgestellt war. Die Maschine rumpelte von der Vehemenz des Abschusses ächzend hin und her, während einige der Speere vier oder mehr Figuren durchbohrten, bevor ihr Flug gebremst wurde.
    An einer anderen Stelle des Feldes bedienten etliche Männer ein riesiges Katapult mit Gegengewicht und einem langen, kranartigen Arm, der nicht wie sonst in einem Korb, sondern in einer Schlinge endete. Soldaten legten einen schweren Stein in die Schlinge und traten zurück. Auf ein Signal hin wurde das Gegengewicht fallen gelassen, und der lange Arm beschrieb einen anmutigen Bogen durch die Luft, bevor er gegen einen mit Tauen abgepolsterten horizontalen Balken schnellte. Die Schlinge wirbelte in einem Halbkreis herum, und der Stein wurde unglaublich hoch und weit in die Luft geschleudert. So weit, daß wir die krachende Landung nicht hörten.
    Es gab auch konventioneller aussehende Waffen, bewegliche, schildkrötenartige Apparate, an denen man Rammböcke befestigt hatte, deren Spitzen tatsächlich die Form von bronzenen Widderköpfen mit gebogenen Hörnern hatten, Giganten zum Durchbrechen von Mauern; kleine Schnellfeuerkatapulte für Felsbrocken und Speere und vieles andere mehr. Doch die zentrale Apparatur, die alles andere winzig erscheinen ließ, war der Turm.
    Er war mindestens siebzig Meter hoch und vollständig mit Eisen beschlagen, daher auch sein seltsam rötlicher Glanz. Auf verschiedenen Ebenen ragten Balkone hervor, ausgestattet mit Katapulten und geschützt durch bewegliche Schilde. Hin und wieder klappte einer von ihnen hoch und nach vorn, ein Geschoß wurde herausgeschleudert, wonach der Schutzschild sofort wieder in seine ursprüngliche Stellung schnappte.
    »Das ist«, sagte ich, »um deine Frage von vorhin zu beantworten, etwas, das stark an die so genannte >Stadtnehmerin< von Demetrios dem Belagerer erinnert. Jener war der größte je erbaute Turm, doch ich vermute, dieser hier ist sogar noch größer.«
    Dann begann sich der Koloß unter gräßlichem Stöhnen und Quietschen zu bewegen. Langsam und quälend ruckelte er Stück für Stück vorwärts, während die Männer in seinem Innern und auf seiner Spitze jubelten. Natürlich erwartet man, daß Belagerungstürme sich auch bewegen können, sonst wären sie nur von äußerst geringem Nutzen, aber normalerweise wurden sie von Ochsen oder Elefanten oder zumindest einer Heerschar von Sklaven oder Gefangenen geschoben. Aber dieses absonderliche Gerät bewegte sich ohne erkennbare Antriebskraft. Außerdem hatte es etwas Unnatürliches, daß ein derart gigantisches Ungetüm sich überhaupt bewegte. Wenn ich nicht bereits flach auf der Erde gelegen hätte, wäre mir bestimmt die Kinnlade runtergefallen.
    »Zauberei!« kreischte Hermes. Er wollte aufstehen, aber ich packte seine Schultern und drückte ihn fest nach unten.
    »Das ist keine Zauberei, du jugendlicher Narr! Es wird durch einen inneren Mechanismus angetrieben, eine Winde oder eine Art Kurbel, eine Apparatur mit einem Getriebe aus Zahnrädern.
    Erst gestern abend habe ich Zeichnungen von solchen Maschinen betrachtet.«
    Ehrlich gesagt hatte ich nur eine äußerst vage Vorstellung, was

Weitere Kostenlose Bücher