Der Musentempel
hilfreich war, würden sie bestimmt alle Zwillinge gebären.
Der Weg vom Paneion zurück zum Palast machte mir keine Mühe, aber es bedrückte mich, den Ort wiederzusehen. Ich war der Verschwörungen und Intrigen müde, und nach der wunderbaren Nacht im Daphne erschien mir der Palast mit all seinem Luxus wie ein finsterer Bau.
»Hier muß ich dich verlassen«, sagte Hypatia, als wir uns dem Tor vor der römischen Botschaft näherten. »Mein Protektor hält mich in einem Haus in der Nähe. Frauen ist es verboten, in der parthischen Botschaft zu wohnen.«
»Wie wirst du morgen zu mir gelangen?« fragte ich; nur widerwillig wollte ich sie gehen lassen.
Sie schob ihre Maske zurück, sank in meine Arme und küßte mich. Sie war wie ein Sack voll zappelnder Aale, und ich war bereit, sie über die Schwelle zu tragen und auf das Angebot zurück zu kommen, das ich in der Nekropolis abgelehnt hatte.
Aber sie riß sich los und legte ihren Finger auf meine Lippen.
»Jetzt ist es zu spät, die Zeit ist vorüber. Aber warte morgen abend auf mich. Wenn man die richtigen Freunde hat, kann man sich frei im Palast bewegen, und ich habe mehr Freunde als die meisten Menschen. Ich werde das Buch mit bringen, und du wirst mir helfen, mich in Rom zu etablieren.«
»Darauf habe ich dir mein Wort gegeben«, sagte ich. »Dann gute Nacht. Bis morgen.« Sie drehte sich um und war verschwunden.
Seufzend wankte ich auf das Tor zu. Immerhin dachte ich daran, die Maske abzunehmen und unter meiner Tunika zu verbergen. Der Wächter am Tor erwiderte schläfrig meinen verschlafenen Gruß. Das war mir nur recht. Ich war überzeugt, daß meine derzeitige Erscheinung Creticus' schlimmste Befürchtungen über mich bestätigen würden. Ich gelangte unentdeckt in meine Gemächer, ließ meinen Umhang zu Boden und meine Waffen klirrend auf den Tisch fallen, bevor ich mich eines Besseren besann und sie in meiner Truhe verstaute. Die Maske hängte ich an die Wand.
Ich ließ die Tunika liegen, wo sie war, und bürstete mir die Weinblätter aus dem Haar, bevor ich ins Bett fiel. Es war einer der ereignisreichsten Tage meines Lebens gewesen. Hatte er wirklich mit dem Besuch bei Baal-Ahriman begonnen? Mir kam es vor, als sei das schon Wochen her. Erst die erfolgreiche intellektuelle Übung zur Entlarvung von Ataxas' Täuschungsmanöver, dann meine Flucht durch Rhakotis, die in der Massenschlägerei auf dem Salzmarkt kulminiert war.
Dann der Abend, der in der Stadt der Toten begonnen und mit einem veritablen Fruchtbarkeitsritus geendet hatte. Selbst zu meinen abenteuerlichsten Zeiten hatte ich nie einen solch raschen Wechsel von Schauplätzen und Umständen erlebt. In dieser Stadt lauerte der Tod an vielen Orten und hinter zahlreichen Masken, aber ich würde bestimmt nicht an Langeweile sterben.
Die Erinnerung an die sich an meinem Körper reibende Hypatia verunsicherte und erregte mich. Immerhin wußte ich, daß ich sie am nächsten Abend wiedersehen würde. Vielleicht gab es einen weiteren Schauplatz exotischer Ausschweifungen, den wir gemeinsam aufsuchen konnten. Und vielleicht brachte sie mir etwas, das alle Rätsel, die den Tod des Iphikrates umgaben, lösen würde.
Ich war überaus angetan von den Geschehnissen des heutigen Tages und den Aussichten auf den morgigen. Vielleicht war es gut, daß ich zumindest in einem Zustand völliger Selbstzufriedenheit einschlief, denn als ich wieder aufwachte, lag eine tote Frau neben mir im Bett.
XI
Ich konnte nicht begreifen, warum eine ganze Legion von Hähnen in mein Ohr krähte. Bei all ihren seltsamen Vorlieben würden diese makedonischen Pseudo-Ägypter doch bestimmt kein lebendes Getier im Palast halten. Dann hob sich der Nebel in meinem Kopf, und mir wurde klar, daß es die Botschaftssklaven waren, die diesen Lärm veranstalteten. Einige von ihnen waren Eunuchen und trugen mit schrillem Falsett zu dem allgemeinen Getöse bei. Was um alles in der Welt regte sie so auf?
Ich kämpfte mich in eine sitzende Haltung hoch und rieb mir die Augen, um sie klarer zu erkennen. Ich spürte sofort, daß ich einen dieser Kater hatte, bei denen man sicher ist, daß die Götter einen über Nacht der Jugend beraubt haben. Mein Mund schmeckte wie der Grund eines Garumbottichs. Das Harz des griechischen Weins verlieh der allgemeinen Fäule eine ausgeprägte säuerliche Note. Mein Mund fühlte sich im ganzen an, als sei er von innen geteert worden.
Ich starrte mit blutunterlaufenen Augen in Richtung des Sklaven, der auf
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