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Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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der Schwelle stand, auf mich zeigte und irgend etwas auf ägyptisch quasselte. Hinter ihm standen weitere Sklaven, die mit aufgerissenen Augen zu mir herüber starrten.
    »Worauf zeigst du?« wollte ich wissen. Es sollte kraftvoll klingen, aber heraus kam nur ein Krächzen. »Seid ihr alle verrückt geworden?«
    Dann wurde mir klar, daß er nicht auf mich zeigte. Er zeigte auf etwas neben mir. Mit brennender Kopfhaut wandte ich den Kopf, um nachzusehen, und kniff die Augen dann sofort wieder zu. Es half nichts. Als ich sie wieder öffnete, war sie immer noch da. Es war Hypatia, und sie war ziemlich tot. Wenn ich ein Dichter wäre, würde ich sagen, daß sie mich vorwurfsvoll anstarrte, aber ihr Blick sagte gar nichts. Das tun Blicke von Toten nie.
    Sie war nackt, und der knöcherne Griff eines Dolches ragte direkt unter ihrer linken Brust hervor. Hinter ihrem linken Ohr war ebenfalls eine kleine Wunde, und ihr schönes schwarzes Haar war blutverklebt. Auf dem Boden neben ihr lag ihr blutverschmiertes Gewand.
    »Was ist denn hier los?« Creticus kam hereingestürmt und erblaßte, als er des Stillebens gewahr wurde. Hinter ihm folgten Rufus und die anderen.
    »Es ist nicht...« Ich verfluchte meine dicke Zunge.
    Creticus deutete auf mich. »Decius Caecilius Metellus, du bist verhaftet. Fesselt ihn und werft ihn in den Keller.«
    Ein Paar stämmiger, kahlgeschorener Männer kam auf mich zu und legte Hand an mich. Es waren der Fesseler und der Peitscher, die Zuchtmeistersklaven im Dienst der Botschaft. Sie erhielten nicht oft Gelegenheit, ihre Fertigkeiten an einem freien Mann zu üben, also machten sie das Beste aus ihrer Chance. Sie rissen meine Arme nach hinten und legten mir Handfesseln an.
    Dann zerrten sie mich auf die Füße.
    »Darf ich mich wenigstens anziehen?« zischte ich.
    »Decius, du bist nicht nur degeneriert, sondern auch wahnsinnig«, sagte Creticus. »Ich werde mit dem König reden.
    Da du zur Botschaft gehörst, kann er nicht deinen Kopf verlangen, aber sei versichert, daß ich dich vor dem Senat anklagen und auf die kleinste und kärgste Insel verbannen werde, die sich auf den Weltmeeren finden läßt!«
    »Ich bin unschuldig!« krächzte ich. »Holt Asklepiodes!«
    »Was?« fragte Creticus. »Wen?«
    »Asklepiodes, den Arzt! Ich möchte, daß er die Leiche untersucht, bevor diese Griechen sie verbrennen! Er kann meine Unschuld beweisen!« In Wirklichkeit war ich mir dessen keineswegs sicher, aber ich war in einer verzweifelten Lage.
    »Rufus! Lauf zum Museion und hol ihn.« Rufus sah völlig entsetzt aus und nickte kaum merklich. Ich war nicht einmal sicher, daß er meine Worte verstanden hatte.
    Der Fesseler und der Peitscher schubsten mich durch die Flure, vorbei an gaffenden Sklaven, dann eine Treppe hinab bis in den Keller. Dort legten sie mir einen Halsring an und ketteten mich an die Wand. Dabei unterhielten sie sich fröhlich in irgendeiner barbarischen Mundart, und ihre mit Bronzedornen besetzten Gürtel scheuerten über meine mißhandelte Haut, als sie mich vertäuten. Mit ihren fetten Bäuchen und ihren dicken, mit Lederarmbändern verstärkten Armen sahen sie aus wie Affen, die Menschen imitierten. Nun ja, Zuchtmeister werden in aller Regel nicht wegen ihrer Sensibilität angestellt. Nachdem sie meine Fesseln ein letztes Mal überprüft hatten, ließen sie mich mit meinen Gedanken allein, und die waren alles andere als angenehm.
    Irgendwie hatte man mich sauber kaltgestellt. Mir war nicht ganz klar, wie, aber es war offenbar mit meiner vollen Unterstützung geschehen. Jetzt hielt mich jeder für einen Mörder. Das Opfer war eine freie Frau und Bürgerin Alexandrias gewesen, wenn gleich von ausländischer Herkunft.
    Im günstigsten Fall würde Ptolemaios seine Zustimmung dazu geben, mich heimlich, still und leise nach Rom verfrachten zu lassen. Ich hegte keinerlei Zweifel, daß Creticus seine Drohung wahrmachen und mich vor dem Senat anklagen würde. Man gestand römischen Beamten im Ausland gewisse Freiheiten zu, aber daß das Mitglied einer diplomatischen Mission der Republik Schande machte, war unerhört.
    Wie kam ich da wieder raus? Es war alles so schnell gegangen und mein Hirn so betäubt gewesen, daß ich keine Möglichkeit gehabt hatte, die genauen Umstände meiner Verhaftung zu registrieren, geschweige denn mir eine Verteidigung zu überlegen. Ich kannte ein paar grundlegende Tatsachen: Die Frau war Hypatia, sie lag in meinem Bett, und sie war ohne Frage tot. Was sprach, wenn

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