Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Musikversteher

Der Musikversteher

Titel: Der Musikversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hartmut Fladt
Vom Netzwerk:
Intro, Strophen und instrumentalen Zwischenspielen) benutzt er in einigen Helene-Fischer-Stücken: Das ermöglicht es-Moll-pentatonische und Ges-Durpentatonische Melodien und Figurationen nur auf den schwarzen Tasten des Klaviers.
    Die Kleinmädchen-Enge der Stimme von Michelle repräsentiert eine bewusste Stilisierung, ein Markenzeichen, eng verknüpft mit der Stilisierung als »Mädchenfrau« in der Performanz. Dieses Markenzeichen lässt den hier besungenen (beschworenen?) Loslösungs-Prozess von der Bevormundung durch die »Macher« noch dringlicher erscheinen.
    Der Refrain (ab 0’46’’) jubelt dann in Es-Dur und höchster Lage »Hast mich so lieb dressiert, doch irgendwie hab ich leider nichts kapiert, war immer wieder ich – dein Püppchen tanzt nicht mehr für dich.«
    Aber da, wo es inhaltlich affirmativ wird, also in den Dur-Refrains, da tauchen dann leider auch die Stube-Kammer-Küche-Leerformeln des Normalschlagers gehäuft auf.
Madonna: MATERIAL GIRL (1985)
    – http://www.youtube.com/watch?v=_CQHIP-38jA
    Aus den Achtzigern, Madonnas »großer«, innovativer Phase, stammt dieser Song, zu finden auf ihrem Album Like a Virgin . Sie und ihr kreativ-kritischer Kreis von Autoren und Arrangeuren und Mitarbeitern in New York hatten keine Scheu davor, mit provozierender Deutlichkeit (bei der das Genre »Videoclip« eine entscheidende Rolle spielte) auf viele gesellschaftliche Verknöcherungen und Fehlentwicklungen zu verweisen, auf erstarrte Rollenklischees und fragwürdige Wertmaßstäbe: Wichtig dabei war aber immer auch ein hohes Maß an Nachdenken über sich selbst, als Frau, als Popstar – und über die Indienstnahme von Weiblichkeitsklischees durch die Kulturindustrie.
    War schon Marilyn Monroes DIAMONDS ARE A GIRL’S BEST FRIENDS aus dem Film Gentlemen Prefer Blondes (1953) auf der wunderbaren Kippe zur Selbstironie, so ist das MATERIAL GIRL von fast analytischer Qualität, wenn im Chorus gesagt wird: »You know that we are living in a material world. And I am a material girl.«
    »New age«-Synthie-Arrangements bestimmen den Song. In der Intro-Szene (0’30’’– 1’00’’) wird die C-mixolydische Tonart etabliert (C-Dur mit der Septime b, die aber hier nicht Blue Note ist).
    Die Strophe (»verse«, 0’59’’– 1’27’’) zieht daraus die Konsequenz,als Harmoniestufe auch die b VII (B-Dur) dann einzusetzen, wenn die Melodie der Singstimme auf das hohe b 1 klettert.
    Der Chorus (1’26’’–1’41’’) mit der einfachen, aber wirkungsvollen Parallelführung von Akkorden (IV F-Dur, V G-Dur, vi a-Moll) hat die – in der Popmusik sehr seltene – Besonderheit, dass Madonnas Stimme nicht die höchste Stimme des Tonsatzes bildet (die haben die weiblichen Chorus-Stimmen), sondern in der Mittellage fast versteckt ist mit den Tönen c 1 , d 1 und e 1 .
    Eine wirkliche Besonderheit des Songs ist ein »Bridge«-Mittelteil (2’55’’– 3’10’’), in dem die Männer-Stimmen – schwer symbolisch – quasi als maschinelle Computerstimmen auf dem Grundton C mechanisch rezitieren. Das wird in der Coda dann wieder aufgenommen und variiert.

6. Herrscher und Herrscherinnen über Hundertschaften
Sting AN ENGLISHMAN IN NEW YORK (1987)
    – http://www.youtube.com/watch?v=vBifHTMvmdU&feature=related (live in Aalborg)
    Auch Sting erliegt hin und wieder den Verlockungen des »aufgebrezelten« Klangpanoramas von großen Orchestern. Wenn er also seine Symphonicity Tour mit The Royal Philharmonic Concert Orchestra äußerst erfolgreich absolviert, dann ergibt sich aber dabei dennoch ein grundlegendes Problem: Bereits existierende Kompositionen aus dem Rock-Pop-Bereich sollen für ein solches Riesen-Ensemble von hervorragend ausgebildeten Spezialisten eingerichtet werden. Das können aber die Songwriter selbst gar nicht leisten – dazu werden professionelle Arrangeure benötigt, die das studiert haben. Von Sting ist anzunehmen, dass er in Kooperation mit den jeweiligen Arrangeuren bestimmte Klangvorstellungen diskutiert hat: Wie kann man das realisieren, oder: Gibt es Alternativen? Bei solchen Adaptionen ist immer das Risiko gegeben, dass sich die Selbstverständlichkeiten des »Symphonischen« gegenüber den ursprünglichen Intentionen der Stücke durchsetzen – soll heißen:
    – Im ursprünglichen Song gibt es in der Regel eine sehr individuelle und subjektive Aussage, geknüpft an einen sehr speziellen Sound;
    – das erfährt aber eine gewaltige Objektivierung allein durch die Zahl der

Weitere Kostenlose Bücher