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Der Musikversteher

Der Musikversteher

Titel: Der Musikversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hartmut Fladt
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Frankfurter (Erich Ließmann). Er ist, das sei neidlos gesagt, ein professioneller Könner des Metiers, sozusagen mit allen Wassern gewaschen (ÜBER JEDES BACHERL GEHT A BRÜCKERL, Stefanie Hertel). Wir werden ihm bei der Schlagersängerin Michelle noch einmal begegnen (S. 273).
    – http://www.youtube.com/watch?v=Vm5SHEX_vXY
    Kann man Ohrwürmer planmäßig herstellen? Wer liefert uns die einfachen Kochrezepte für millionenfach verkaufbare Hits?
    Können Hooklines und Songs auch arbeitsteilig entstehen? Person eins zuständig für den melodisch-rhythmischen »Haken«, Person zwei für ein instrumentales »Riff« und für die Harmonik, Person drei für den Text, Person vier (in der Regel der Producer) für die Klang- und Soundinszenierung, für den spezifischen Mix der Vielfachspuren?
    Ja, das ist üblich und kann von zwei Personen (Songwriter und Producer; z. B. Karen Elson und ihr Mann Jack White) bis zu sechs bis acht Beteiligten gehen (z. B. das Team »Madonna«).
    Einzelkämpfer sind meist ein Phänomen des traditionell künstlerisch hoch ambitionierten Komponierens im »E«-Sektor. (Frank Zappa oder der Popartist Beck Hansen sind da wohl Ausnahmen.) Und wer auch nur einmal eine einzige Seite einer großen Orchesterpartitur geschrieben (oder gesehen) hat, weiß, welche Anstrengung damit verbunden ist.
    Was ist mit den Kategorien Einfall, Inspiration? Kommt das einfach angeflogen, gibt die entsprechende Muse ihren berühmten Kuss, wohin auch immer, oder kann man so etwas lernen oder sich erarbeiten?
    Zur Veranschaulichung ein wunderbares Beispiel: JohannMattheson, Musiker, Komponist, Jurist, Sprachartist, Wissenschaftler des 18. Jahrhunderts. Wie man mit Witz und Esprit, klug, geistreich, tiefgründig und zugleich kritisch bis zu satirischer Schärfe über Musik schreiben kann, das ist vorbildlich bis heute, wo, besonders im Rock-Pop-Bereich, der Ausspruch von Frank Zappa weitestgehend zutrifft: »Leute, die nicht schreiben können, machen Interviews mit Leuten, die nicht denken können, und fabrizieren daraus Artikel für Leute, die nicht lesen können.« 11
    Die Melodielehre in Johann Matthesons Kompendium »Der vollkommenene Capellmeister« (1739), die auch für Haydn, Mozart und ihre Konzeption des »Popularen« wichtig wurde, könnte noch heute als Gebrauchsanweisung zur Herstellung von Schlagern, Popsongs, Ohrwürmern, Hooklines dienen. 12
    Von den Enzyklopädisten aus Frankreich übernahm Mattheson die Kategorie der »edlen Einfalt« (noble simplicité), die für jeden Menschen gleichermaßen (!) von substantieller Bedeutung ist – ein auch politisch bemerkenswerter demokratischer Ansatz der frühen Aufklärung. Jeder Mensch hat, weil er Mensch ist, die Anlage zum Verstehen und zum Erfinden von substantiell einfacher Schönheit.
    § 48 Wir können keine Vergnügung haben an einem Dinge, daran wir gar keinen Theil nehmen. Natürlicher Weise ziehet man hier aus sieben Regeln:
Dass in allen Melodien etwas seyn muss, so fast jedermann bekannt ist.
Alles gezwungene, weit geholte schwere Wesen muss vermieden werden.
Der Natur muss man am meisten, dem Gebrauch in etwas folgen.
Man setze die grosse Kunst auf die Seite, oder bedecke sie sehr.
Den Franzosen soll hierin mehr, als den Welschen, nachgeahmet werden.
Die Melodie muss gewisse Schrancken haben, die jedermann erreichen kann.
Die Kürtze wird der Länge vorgezogen.
    § 59 Das natürliche Lallen eines in der Wissenschaft Unerfahrnen wird die beste Melodie abgeben, und zwar um so viel mehr, weil sie von allen künstlichen Zwangs-Mitteln entfernet, und nur dem Gebrauch in etwas verwandt ist; allein ein solcher muss sein Tage viel Gutes gehöret haben, und eine angebohrne Fähigkeit besitzen.
    § 64 Allzu grosse und gezwungene Kunst (ich kan nicht zu viel davon sagen) ist eine eckelhafte Künsteley, und benimmt der Natur ihre edle Einfalt. Wenn die Natur gleich viele Dinge höchst ungestalt zu liefern scheinet, so betrifft diese vermeintliche Heslichkeit doch nur das äusserliche Ansehen, nicht das innerliche Wesen.
    Also, in griffige »Rezepte« zusammengefasst: Man sollte auf Vertrautes zurückgreifen, knapp, verständlich, klar gegliedert, aber nicht einfach nur Verbrauchtes, »Förmelgen« und Altbackenes aneinanderreihen;
    das Neue: unbedingt, aber es so bringen, dass es verständlich bleibt. Doch das gelingt nur auf der Basis umfassender Erfahrung und Begabung zugleich – man »muss sein Tage viel gutes gehöret haben, und eine angebohrne Fähigkeit

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