Der Musikversteher
(= »drei Ganztöne«) ist zwischen f und h. Von jedem Ton aus lässt sich eine Quinte bilden, mit einer Ausnahme: Von h bis f 1 ist eine verminderte Quinte. Kleine und große Sexten und kleine und große Septimen entsprechen den kleinen und großen Terzen bzw. Sekunden. Schon seit etwa 1000 Jahren reichte das aber den Musikern nicht mehr aus: Sie erweiterten den Tonbestand, indem jede der 7 Stufen entweder durch ein vorgezeichnetes # um einen Halbton erhöht oder durch ein vorgezeichnetes b um einen Halbton erniedrigt werden konnte. Die »Verfärbungen« gehören zur »Chromatik« (altgriechisch chroma = Farbe).
Kleine Intervall-Lehre III:
»Modale« Skalen und Tonleitern
Skalen können von jedem der sieben Töne aus starten, und so ergeben sich sehr charakteristische »Modi«, englisch »modes«. Man nennt sie, weil sie in etwa 1500 Jahren christlicher Musik gebräuchlich waren, gern auch »Kirchentöne«. Sie werden im modalen Jazz und im modalen Rock und Pop seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts wieder sehr wichtig. Jeder dieser Modi hat ein charakteristisches eigenes Profil, auch in der Harmonik. Es sind:
Von C bis c = Dur (auch Ionisch), von D bis d = Dorisch, von E bis e = Phrygisch, von F bis f = Lydisch, von G bis g = Mixolydisch,von A bis a = »reines Moll« (auch Äolisch), von H bis h = Lokrisch (sehr selten gebraucht). Alle Skalen können vom Grundton oder ihrem darunterliegenden Quintton aus starten; das ergibt charakteristische Unterschiede der Melodik. Wir werden diesen Modi bei den Beatles, bei Bowie, bei Björk etc. begegnen. Die Musik des 20. Jahrhunderts entwickelt noch andere Skalen mit Verfärbungen und mit Halbton-Varianten. Sehr beliebt die »Blues-Skala«, die auf der Grundlage der Moll-Pentatonik ausdrucksstark-»schmutzige« Blue Notes ins Spiel bringt; möglich auch die »Flamenco-Skala«, die jiddisch-sephardische Skala, »akustische Skala«, die »Halbton-Ganzton-Skala« (Oktatonik) etc. In einigen der analysierten Songs werde ich auch auf solche Phänomene eingehen, ebenso auf Mikrotöne, die kleiner sind als Halbtöne. (Notenbeispiel 4)
Kleine Harmonielehre
All die wunderbaren melodischen Tonfolgen benötigen, um wirklich verständlich zu sein, die Einbettung in Harmonien. In der meisten »westlich« geprägten Musik erscheinen die Harmonien als Akkorde und als Akkordfolgen, als changes. Wenn man die oben beschriebenen Skalen als Grundlage des Tonsystems anders ordnet, dann ergeben sich, wenn jeweils ein Ton »übersprungen« wird, auf jeder Tonstufe Dreiklänge. Sie können auch zu Vier- und Mehrklängen erweitert werden.
Aus der Skala c-d-e-f-g-a-h-c 1 ergeben sich also die Dur-Akkorde (sie haben über ihrem Grundton eine »große Terz«) c-e-g, f-a-c 1 , g-h-d 1 , die Moll-Akkorde (sie haben über ihrem Grundton eine »kleine Terz«) d-f-a, e-g-h, a-c 1 -e 1 und der sogenannte »verminderte Dreiklang« (er hat zwei »kleine Terzen«) h-d 1 -f 1 . Alle Akkordtöne können auch ihre Position unten/Mitte/oben tauschen (»Umkehrungen«).
Der Dur-Dreiklang ist gleichzeitig ein physikalisches Phänomen: Jeder erklingende Ton hat ein Teilton-Spektrum, das mitklingt, und die »Partialtöne« 4:5:6 bilden den Dur-Dreiklang.
Alle Dreiklänge können um noch eine Terz »aufgestockt« werden zu Septakkorden; sie machen die gesamte harmonische Anlage durch ihre »Reizdissonanzen« bunter und attraktiver und sind eine wesentliche Grundlage auch der Jazz-Harmonik: z. B. c-e-g-h (»großer Septakkord/major 7«), d-f-a-c 1 (»Moll-Sept-akkord/minor 7«), g-h-d 1 -f 1 (»Dominant-Septakkord/dominant 7«), h-d 1 -f 1 -a 1 (komplizierter: »halbverminderter Septakkord/minor7 diminished 5«). Aufgestockt um eine weitere Terz, werden aus Septakkorden Nonen-Akkorde etc. Es gibt, auf dieser Basis, noch ein Meer von Varianten. Da sie ganze Harmonielehre-Bücher füllen, sei an dieser Stelle abgebrochen und auf die Literaturangaben verwiesen.
Wie aber werden diese Klänge miteinander verbunden? Jede musikgeschichtliche Epoche, alle unterschiedlichen stilistischen Ausprägungen der Musik haben charakteristische, deutlich voneinander abgrenzbare Organisationsprinzipien der Klänge und der Klangverbindungen. Uns, die wir in der Musik trotz Blues »europäisch« sozialisiert sind, erscheint die Dur-Moll-Tonalität als völlig »natürlich« – wir kennen sie aus der Volksmusik, aus weiten Teilen der barocken und der klassischen Musik, aus Schlager und Pop. Aber: sie ist, natürlich,
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