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Der Musikversteher

Der Musikversteher

Titel: Der Musikversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hartmut Fladt
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MOUNTAIN) machen. Eine übrigens überraschende Live-Version von KNOCKIN’ ON HEAVEN’S DOOR findet sich hier:
    – http://www.youtube.com/watch?v=EiK853jyutY&feature=related .
    Wir hatten schon festgestellt: Musik wird häufig nicht über Musik, sondern über Sozialverhalten und Image definiert. Das ist vielleicht dumm, aber normal dumm.
    Dummheit und Musikbanausentum gibt es bei Fans von Pop- und Rockmusik genau so wie bei Musikern, Musikwissenschaftlern und anderen »Profis«. Das gilt jedoch – umgekehrt – auch für Klugheit, wache Intelligenz und ästhetische Neugier; sie sind in allen »Sparten« anzutreffen.
    Volksmusik und volkstümliche Kunstmusik
Aus einem Gedicht von Bertolt Brecht
(DA DAS INSTRUMENT VERSTIMMT IST):
    »Wäre nicht auch Dummes klug zu sagen
    Hätten nicht auch Räuber süße Lieder
    Wäre unser Handwerk unten mehr geachtet.
    Wenn wir vor den Unteren bestehen wollen
    Dürfen wir freilich nicht volkstümlich schreiben.
    Das Volk
    Ist nicht tümlich.« 34
    Fast alle Pseudo-Volksmusikadaptionen von Gotthilf Fischer haben mit Volksmusik nichts zu tun; es ist dies nicht im Volkentstandene, sondern fürs Volk komponierte volkstümliche Musik aus dem 19. oder 20. Jahrhundert. Auch das berühmte Hoch auf dem gelben Wagen ist nicht »Volksmusik«. Hier wird dem Volk vorgeschrieben, wie es zu sein hat: herzig, bescheiden, sentimental, dumm, tümlich … Fischers Chöre setzten auch dem deutschen Vereinswesen ein musikalisches Denkmal mit Ausrufezeichen: Im Verein, da ist’s am schönsten! Ich muss da immer an Kurt Tucholskys Verein -Gedicht denken, das mit dem unsterblichen Satz beginnt: »In mein’ Verein bin ich hineingetreten«. Hören wir aber in ein Schunkelmedley hinein, das u. a. das ach so lustige Sinti- und Roma-Leben im Dreivierteltakt besingt.
    (Liebe Hardrock- und Heavy-Metal-Fans: immer bedenken, dass Headbanging nichts anderes ist als die isolierte, einsame Version des kollektiven Schunkelns. Nur an anderen Orten und mit anderen Mitteln. Und mit einer anderen Ausprägung von Gemütlichkeit.)
    – http://www.youtube.com/watch?v=VT7sJxdNUJA&feature=related
    Zu bedenken ist dabei auch, dass in Deutschland die volkstümlichen Musikanten unglaublich hohe Einschaltquoten haben. Die beim CD-Verkauf erfolgreichsten in Deutschland sind nicht Tokio Hotel, nicht Grönemeyer, sondern die Kastelruther Spatzen und die Original Oberkrainer. Diese Slowenen sind recht gute Musiker, machen aber volkstümliche Kunstmusik, die mit slowenischer Volksmusik gar nichts zu tun hat, denn die ließe sich nicht verkaufen. Wir hören da Walzer, Märsche, Polkas, sind also, wie Gotthilf Fischer, primär im 19. Jahrhundert zu Hause.
    – http://www.youtube.com/watch?v=VEAN481KZUM
Die Dummheit der Spezialisten
    An dieser Stelle soll nun einiges über die sehr, sehr kluge Dummheit von selbsternannten Avantgarden folgen, wie den italienischen Futuristen um Filippo Tommaso Marinetti, wo es erstaunliche Parallelen zu Karlheinz Stockhausen gibt. Befangen in den komplexen Strukturen ihres Denkens und ihrer Methoden sind sie oft außer Stande, ihre eigenen Kategorien zu relativieren und in größeren Zusammenhängen zu denken und zu fühlen. Zahlreiche der »großen Schulen« der Musikwissenschaft und der Musiktheorie sind ebenso in sich befangen und erinnern in ihren Argumentationsmustern und in ihren Legitimationsstrategien fatal an das Verhalten von Sekten.
    Auch die Popmusik hat ihr Spezialistentum: Da gibt es die Abteilungen »stilistisches Spezialistentum« (wobei man sich oft gar nicht einig ist darüber, wie diese Stile voneinander unterscheidbar sind), und jeder dieser »Stile« kennt dann noch einzelne Unterabteilungen: die Spezialisten einzelner Gruppen bzw. einzelner Künstler, die dann in der Regel auch noch ihre Propheten in den Reihen des Pop-Feuilletons haben.
    Spezialisten für alte und solche für neue Musik im »E-Sektor« bilden ebenfalls gern »Gemeinden«, und die Geschichte der musikalischen Interpretationen kennt ebenso Schulen und verschworene Gemeinschaften.
    Der berühmte Marinetti, später wie viele der Futuristen Faschist, schrieb in seinem Futuristischen Manifest (1909):
    »Wir wollen den Krieg verherrlichen – diese einzige Hygiene der Welt –, den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat der Anarchisten, die schönen Ideen, für die man stirbt, und die Verachtung des Weibes.«
    In Marinettis Manifest zum äthiopischen Kolonialkrieg ist zu lesen: »Seit siebenundzwanzig

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