Der Musikversteher
großen Augen ansah und nicht recht wusste, was er davon halten sollte, da fügte er hinzu: »Ich bin für dich und deinesgleichen da, und ich sorge für ausgleichende Ungerechtigkeit. Willst du dich bei mir vermieten und mein Knecht sein, so sollst du für dein Lebtag genug haben, darfst gar musizieren in meiner Hölle, und darfst mein gewaltiges Studio-Equipment erproben; sieben Jahre sollst du mir dienen, hernach bist du wieder frei. Aber eins sag ich dir, du darfst dich nicht waschen, nicht kämmen, nicht schnippen, keine Nägel und Haare abschneiden und kein Wasser aus den Augen wischen!«
Der Musikus sprach: »Frisch dran, wenn’s nicht anders sein kann, vielleicht ist’s ja förderlich für eine Solokarriere im Neo-Punk-Bereich oder im Neo-Grunge oder, wenn’s ganz schlimm kommt, beim Gruftie-Gothic, und Rammstein ist ja auch noch da.« Er ging mit dem Männchen fort, das führte ihn geradewegs in seine Hölle hinein. Dann sagte es ihm, was er zu tun hätte: Er müsste die Höllenmaschinerie in Schwung halten und das Feuer schüren unter den Kesselpauken, wo die Höllenbraten drin säßen, und ihnen die Höllentöne regulieren, und er müsste das Haus rein halten, den Kehrdreck hinter die Türe tragen und überall auf Ordnung sehen; aber guckte er ein einziges Mal in die Kessel hinein, so würde es ihm schlimm ergehen. Der Musikantensoldat sprach:»Es ist gut, ich will’s schon besorgen, aber das mit den Höllentönen, das musst du mir doch noch genauer zeigen.«
So geschah es, und da ging nun der alte 68er-Teufel wieder hinaus auf seine Wanderung, und der soldatische Musikus trat seinen Dienst an. Er schaute sich nun einmal recht um, da standen die Kesselpauken ringsherum in der Hölle, und war ein gewaltiges Feuer darunter, und es kochte und brutzelte darin, und statt der Fellbespannung hatten sie große Becken und Tamtams und Gongs als Deckel. Und über den Kesseln, da hingen gewaltige Lautsprecher, aus denen dröhnte ständig laute Musik, und das war eine Musik, die den Höllenbraten in den Kesseln noch zusätzliche Höllenqualen verschaffte.
Er hätte für sein Leben gerne hineingeschaut, wenn es ihm der Teufel nicht so streng verboten hätte; endlich konnte er nicht mehr an sich halten, hob vom ersten Kessel ein klein bisschen den Deckel auf und guckte hinein. Da sah er seinen ehemaligen Studioboss darin sitzen. »Aha, Vogel«, sprach er, »treff ich dich hier? Du hast mich gehabt, jetzt hab ich dich«, ließ geschwind den Deckel fallen, schürte das Feuer und legte noch frisch zu und drehte den dröhnenden Freejazz noch lauter. Danach ging er zum zweiten Kessel, hob ihn auch ein wenig auf und guckte, da saß der Labelchef darin. »Aha, Vogel, treff ich dich hier? Du hast mich gehabt, jetzt hab ich dich«, machte den Deckel wieder zu und trug noch einen Klotz herbei, der sollte ihm erst recht heiß machen, und seine musikalische Höllenqual, das waren die Fischerchöre. Nun wollte er auch sehen, wer im dritten Kessel säße, da war’s gar der oberste Konzernchef. »Aha, Vogel, treff ich dich hier? Du hast mich gehabt, jetzt hab ich dich«, holte den Blasbalg und ließ das Höllenfeuer recht unter ihm flackern, und Stockhausen, Scooter und iranische Marschmusik ertönten gleichzeitig.
Also tat er sieben Jahr seinen Dienst in der Hölle, wusch sich nicht, kämmte sich nicht, schnippte sich nicht, schnitt sich die Nägel und Haare nicht und wischte sich kein Wasser aus den Augen; und die sieben Jahre waren ihm so kurz, dass er meinte, es wäre nur ein halbes Jahr gewesen, und das kam wohl davon, dass er beiall dem Dienst noch so viel schöne Musik konnt’ erproben. Als nun die Zeit vollends herum war, kam der Teufel und sagte: »Nun, was hast du gemacht?« – »Ich habe das Feuer unter den Kesseln geschürt und die Höllenmusik reguliert, ich habe gekehrt und den Kehrdreck hinter die Türe getragen, und ich habe noch Zeit für meine eigene Musik gefunden.« – »Aber du hast auch in die Kessel geguckt; dein Glück ist, dass du noch Holz und ein paar Dezibel und schräge Töne zugelegt hast, sonst war dein Leben verloren; jetzt ist deine Zeit herum, willst du wieder heim?« – »Ja«, sagte der Studiomusikus, »ich wollt auch gerne sehen, was mein Vater daheim macht.« Sprach der Teufel: »Damit du deinen verdienten Lohn kriegst, geh und raffe dir deinen Ranzen voll Kehrdreck und nimm’s mit nach Haus. Du sollst auch gehen ungewaschen und ungekämmt, mit langen Haaren am Kopf und am Bart,
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