Der Musikversteher
wissen.
Charlie Königssohn durfte nun wieder nach Herzenslust mit Camilla im Park bowlen und den schwereren Tönen frönen. Di schöne Spencerin aber fand nach tausend und einer Nacht endlich ihr Glück bei einem reichen Kaufmannssohn aus dem fernen Morgenlande, an dessen Wunderlampe sie so manches Ergötzen hatte, und es war ihr auch ein Leichtes, von Pop Light auf Ethno-Pop Light umzusteigen. In des Kaufmannssohns Familie jedoch erblühte viel ehrsamer Waffenhandel. Der Onkel Kashoggi machte in guten Minen zum bösen Spiel, meistens die tüchtigen Landminen. Ach, wie traf es sich da gut, dass unsere Herzenskönigin diese dann so recht aus reinem Herzen in aller Öffentlichkeit ächten konnte! Und so blieb alles fein in der Familie.
Eines Tages jedoch geschah es, dass sich das schöne Paar nächtens in fernem Lande aufmachte, um eines seiner Drittschlösser zu besuchen. Der Getreue Heinrich lenkte die Kutsche, die rasch dahin fuhr. »Heinerich, der Wagen bricht«, so hob der Kaufmannssohn mahnend seine Stimme. Der getreue Heinrich aber hatte geradegetankt, sowohl als auch, und etwas Speed eingeworfen, und so ward die Kutsche schneller und schneller.
»Heinerich, der Wagen bricht«, sorgte sich nun auch die schöne Spencerin. Der Getreue aber sang fröhlich einen alten Heinz-Rühmann-Schlager, der eigentlich in diesem Märchen gar nichts zu suchen hatte, dessen Headline aber ganz ausgezeichnet passte: »Ich brech’ die Herzen der stolzesten Frau’n.«
Das nun wiederum war, in jeder Beziehung, das Allerletzte.
Als sie aber herabfielen von der Wand, da war die schöne Spencerin in eine Heilige verwandelt, die von aller Welt verehrt ward.
Und es wurde ihr ein zartes Flämmlein gewidmet, das war die Zweitversion einer früheren musikalischen Grabeskerze, süß und klebrig von Elton zu Elton. Da war die ganze Welt gerührt und griff zu. Das wiederum machte den Eltonsetzer und den in diesem Märchen nun schon dritten Medienmogul ebenfalls noch stinkreicher, als sie’s eh schon zuvor waren.
Und wenn Di schöne Spencerin nicht gestorben ist, dann ist diese übliche Märchenschluss-Formel jetzt zwar falsch, aber Di lebt ja weiter, in den Herzen und audiovisuell digitalisiert.
James Blunt YOU’RE BEAUTIFUL (2007)
– http://www.youtube.com/watch?v=qzocxPC8wVQ
Da gibt also noch jemand aus dem Wunderland des BritPop ungeniert seinem populistischen Affen vielerlei musikalischen Zucker, Aspartam und Saccharin, und der Erfolg hat ihn darin auch noch bestätigt. Für mich ist das eher ein soziologisches als ein musikalisches Phänomen. Heile-Welt-Bedürfnisse haben wir alle, wie versteckt auch immer, und schnulzige Sülze kann gerade in Krisenzeiten den Eindruck von Nahrhaftigkeit vermitteln. Rational empört man sich über die Kitschzumutungen, aber insgeheim genießt man sie vielleicht doch.
Eigentlich sollte man ja keine Witze über Namen machen. Das ist billig; aber wenn »blunt« wirklich »plump« oder »stumpf« bedeutet, dann kann auch ich Billig-Angeboten nichtwiderstehen. YOU’RE BEAUTIFUL – ein Song mit Ohrwurm-Qualitäten, gleichzeitig 2007 in England zum nervigsten Song aller Zeiten gewählt. Das »Stimmwunder« Blunt – von der Militärlaufbahn zum Edelschnulzisten?
Die Intro (0’00’’– 0’29’’) ist eine Klanginszenierung: sanfte Gitarren mit verschiedenen Sounds, vielspurig übereinander gelagert; ein »turnaround« von 4 Takten mit konstanter Bassfigur und 4 Harmonien: //: I (Es), V (B), vi (c-Moll), IV (As) :// Darüber drei melodische Schichten. Das ist handwerklich sauber gemacht, ohne Zweifel.
In der Strophe (0’34’’– 0’57’’) setzen Schlagzeug und Bass ein, eine der Gitarren mit Harmonizer-Schmuse-Sound; die Stimme hat den typischen flach-gehauchten Melancholie-Faktor; und was singt sie? Nur Töne des Es-Dur-Dreiklangs! Es, g und b, immerhin in verschiedener Reihenfolge und verschieden rhythmisiert. Das ist fast unverschämt, in seiner Konsequenz aber schon wieder beeindruckend.
Jetzt kommt der berühmte titelgebende Refrain; und was macht da die Stimme? Wir hören wieder nur Töne des Es-Dur-Dreiklangs, allerdings jetzt, der Bedeutung der titelgebenden Hookline angemessen, eine Oktav höher. Wenn Sie den Refrain hören, bitte darauf achten: Erst ganz zum Schluss kommen andere Töne als die des Dreiklangs.
Der Text des Refrains (0’58’’– 1’27’’) ist doch etwas differenzierter, als man bei unbefangenem Hören glaubt; es geht um eine unmögliche,
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