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Der Musikversteher

Der Musikversteher

Titel: Der Musikversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hartmut Fladt
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instrumentalen Tönen D-C-A-C (das ist keine Hommage für ACDC – der Ton G kommt auch noch), später in der Singstimme a-f 1 -d 1 -c 1 -d 1 (mit Varianten, die typisch sind für den Erzähl-Tonfall von Strophen).
    Der Text hat eine düstere Aussage: Zukunftsangst, satanische Bombenpanik, aber: Du zeigst den Ausweg. Dürfen sexy Stiefel als Zeichen weiblicher Stärke eingesetzt werden? Sind sie die Alternative zu den blutigen Kriegen?
    Die Hookline Get on your boots (0’27’’– 0’36’’) ist nicht der Chorus, sondern ein zwischen die Strophen gesetzter eigener Formteil. Die zweite Strophe wird zur Liebeserklärung: »du befreist mich vom dunklen Traum« – und dann kommt der echte, der große Chorus (1’40’’– 2’19’’).
    Der Chorus (You don’t know how beautiful you are) hat merkwürdigerweise Flamenco-Anklänge. Vom Ton G ausgehend hören wir eine typische »phrygische« Linie: G-As-B-As-G. Am Schluss des Chorus und in der Überleitung zur Strophe gibt es erstaunlich schräge, dissonante Töne.
    Nach der zweiten Strophe geht die Hookline direkt über in den zweiten Chorus (1’40’’– 2’19’’). Die lange Coda (2’19’’– 2’59’’) hat musikalisches Material aus Intro und Strophe, wirkt aber ganz neu: nur noch Stimme und Schlagzeug, dann allmähliches Wiedereinfädeln des üppigen Klangapparats.
    Und der Song endet mit einer jetzt durchaus optimistischen Aufforderung: »Let me in the sound, Meet me in the sound, Get on your boots«.
    »Gutmenschentum« und »Mainstreampop« fallen aus. Der Song ist voll von angenehmen Überraschungen, von ungewohnten Klängen, hat eine spannende Dramaturgie; die Aussage des poetischen Textes ist, wie jede Utopie, illusorisch, aber schön.
Das Märchen von den Artists Formerly Known As Bremer Stadtmusikanten
    Es war einmal ein alt gewordener Country-Sänger, der sang seine deutschen Lieder in Deutschland, und er tat das so störrisch und unbelehrbar, dass er bei seinem Management als ausgesprochener Esel galt. Da merkte er nun, dass kein guter Wind wehte und dass schon sein Platz bei der musikalischen Abdeckerei reserviert war, und so lief er fort und machte sich nach Bremen auf, um Stadtmusikant zu werden, ausgerechnet nach Bremen, denn er war, wie schon gesagt, störrisch und unbelehrbar.
    Am Wege traf er einen Dummen Hund, der jappte wie einer, der sich müde gelaufen hatte, und er hatte als Schlagzeuger und Backgroundsänger auch schon bessere Tage gesehen und schlug sich mit Aushilfsmuggen und diversen Gigs durch. »Weißt du was«, sprach der Country-Esel, »ich gehe nach Bremen und werde dort Stadtmusikant, geh doch mit, dann kriegst du wenigstens einen Zeitvertrag.« Der Dumme-Drummer-Hund war’s zufrieden, und sie zogen weiter.
    Nicht lange, da saß eine Katze am Wege, die machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. »Was ist dir in die Quere gekommen, alte Bartputzerin?«, so fragte der Esel. »Wer kann da lustig sein, wenn’s einem an den Kragen geht«, antwortete die Katze, »hatte ich doch ein gutes Auskommen im Ensemble von Cats, aber jetzt werden meine Knochen arthritisch, und die Stimme will auch nicht mehr so.« – »Geh mit uns nach Bremen, du verstehst dich doch auf die Nachtmusik, da kannst du eine Stadtmusikantin werden.« Die Cats-Katz hielt das für gut und ging mit.
    Nach einer Weile begegnete ihnen ein sehr junger, noch ziemlich zahnloser Bieber, der schrieb sich – wer weiß, warum – mit i-e. »Komm mit uns nach Bremen, da machen wir als Stadtmusikanten unser Glück, just in time«, so sprachen sie ihn an. Er aber murmelte in seinen noch nicht vorhandenen Bart etwas wie »Verträge« und »doch nicht bescheuert« und »Weltkarriere« und ging seiner Wege.
    Bald vernahm man ein lautes Gekrähe, und wie sie näher kamen, da war’s ein bunter Gockel, ein etwas abgewrackter Schlagersänger im Glitzergewande. Der schrie, so laut er konnte, das heißt also, er sang wie immer, und er schluchzte »Keiner will mich mehr hören. Das ist mein Tod.« – »Ei was, du Rotkopf«, sagte der Country-Esel, »zieh lieber mit uns fort, wir gehen nach Bremen, etwas Besseres als den Tod findest du überall; du hast eine Stimme, die geht an die Nieren, und wenn wir zusammen musizieren, so muss es eine Art haben.« Der alte Gockel ließ sich den Vorschlag gefallen, und so gingen alle zusammen fort. Nur die Katze dachte noch manchmal an den jungen Bieber.
    Es wurde dunkel, und sie waren in einen tiefen Wald geraten, und sie

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