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Der Musikversteher

Der Musikversteher

Titel: Der Musikversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hartmut Fladt
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Monteverdi, Ashcroft: gleicher Bass, aus dem aber da ein großer Reichtum gezaubert wird). Wohl ein Problem des Produzenten.Text und Dramaturgie machen aber das Einfachsein von EINFACH SEIN für mich trotzdem akzeptabel.
Depeche Mode: WALKING IN MY SHOES (1993)
    – http://www.youtube.com/watch?v=bmWF1p68nIc
    Dreißig Jahre Erfolg mit »hochmodischem« Einsatz aller Up-to-date-Techniken; Synthie-Pop, New Wave; durchaus »romantische« Gefühle, zugleich aber (meist!) mit »romantischer Ironie«. Martin Gore, der Songwriter, und Dave Gahan, der charismatische, gesundheitlich schwer gefährdete (so sagt man euphemistisch) Sänger, geben –  auch – Auskunft über sich selbst.
    In der Intro (0’00’’– 0’26’’) finden sich ausgetüftelte, vielschichtige Synthie-Sounds; moderater 4/4-Takt mit schöner Figuration und reicher Harmonik:
    //: d-Moll 7 – g-Moll 7 9  – B-Dur maj 7 9 ://
    Das Synthieschlagzeug »unterläuft« das moderate Grundtempo mit einer nervösen Doubletime-Bewegung.
    In der ersten Strophe (Pendelharmonik i – iv – i), mit diesem »doubletime« (0’25’’– 0’46’’) gibt jemand im Erzähl-Tonfall Auskunft über sich selbst, über seine Schmerzen, seine »verbotenen Früchte« – natürlich sind die Drogenerfahrungen gemeint. Es folgt ein Abschnitt, der die »Hookline« hat (Walking In My Shoes) , aber dennoch kein »Chorus« ist, sondern Pre-Chorus (0’45’’– 1’06’’), der mit planmäßig verwirrender Harmonik in d-Moll 7 startet, über f-Moll 9 nach b-Moll/Dur 7 und g-Moll 9 wandert, und wenn dann wieder d-Moll erreicht wird, hat sich das Quasi-Schubert-Gefühl eingestellt, in der Fremde verlorengegangen zu sein.
    Was dann folgt, hat den typischen großen Klangraum eines Chorus (1’07’’– 1’32’’). Dazu hören wir einen neuen Bassgang, leicht orientalisch angehaucht mit einem Intervall der übermäßigen Sekunde (D – Cis – B 1 ) und eine neue Melodik.
    Die Großform des Songs mit Intro – Strophe – Pre-Chorus– Chorus wiederholt sich, mit neuem Text und schönen musikalischen Varianten, so der Einsatz synthetischer Streicher im 2. Pre-Chorus, mit seufzenden Glissandi (2’02’’– 2’23’’).
    Die Bridge (2’50’’– 3’14’’) hat dann eine rein instrumentale Variante des Chorus:
    Und da setzt die Stimme wieder ein: »ich suche nicht nach Absolution oder Vergebung«, aber: »You would stumble in my footsteps«. Und das redet sich Dave Gahan dann noch fast zwei Minuten lang ein.
    Das alles ist musikalisch sehr reich, sehr überzeugend, aber nicht »abgehoben«; inhaltlich erleben wir die verzweifelte Suche nach Rechtfertigung. Und die Musik scheint die einzige mögliche Rechtfertigung der »verbotenen Früchte« zu sein.
Radiohead 15 STEP (2007)
    – http://www.youtube.com/watch?v=DIE9U5nPzB0
    Eigentlich sollte man eine Analyse nicht mit »eigentlich« beginnen. Aber: Eigentlich finde ich Radiohead sehr gut – eine der innovativsten Gruppen, immer für Überraschungen gut, meist ohne faule Kompromisse und ohne Zugeständnisse an den Mainstream. Zweites Aber: Es wäre fast unmenschlich, wenn eine Gruppe nur Stücke von höchster Qualität hervorbringen würde. Das ist auch den ganz ganz Großen nicht gelungen, in allen Genres der Musik, auch einem Beethoven nicht oder einem Duke Ellington oder einem György Ligeti. Drittes Aber: Wenn bei Radiohead auch Kritik geübt werden sollte, dann immer auf sehr hohem Niveau.
    15  STEP ist der Eröffnungssong des Albums In Rainbows . Radiohead bleibt seinem Ruf als sehr experimentierfreudige Band treu. »15 Stufen/Schritte« – welche Bedeutung hat das in der Geschichte, welche musikalische könnte gemeint sein? 15, das ist 3 x 5, und der Song beruht auf dem sehr ungewöhnlichen 5/4-Takt (also ergeben 3 Takte 15 Beats).
    In Introduktion und Strophe 1 (0’00’’– 0’25’’) ist ein Quasi-Drumcomputermit Geräusch-Samples Hintergrund und Grundlage; darüber die einsame Stimme von Thom Yorke; er singt eine bluesgeprägte »Moll-Pentatonik« in gis-Moll. Sehr ungewöhnlich ist, dass die Melodie mit dem höchsten Ton gis 1 anfängt und über fis 1 , dis 1 , cis 1 und h ins untere gis wandert.
    Die Gegensätze ergänzen sich wunderbar. Wie so oft signalisiert ein Text Ratlosigkeit, weil eine Beziehung zu Ende ist. Schönes Bild hier dafür: Der Faden aus einem Wollknäuel wird abgespult, »and then you cut the string«. Zwei Strophen lang haben wir keinen einzigen Akkord

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