Der mysterioese Zylinder
wußte bis dahin nicht, daß er Erpressung im großen Stil betrieb; aber diesmal –!«
Ellery und der Inspektor sahen sich an. Morgan fuhr unbeirrt fort.
»Ich sagte ihm die Wahrheit – daß ich finanziell nicht gut dastände, vor allem seinetwegen, und daß es für mich absolut unmöglich sei, diesen irrwitzigen Betrag, den er forderte, aufzutreiben. Er lachte nur und beharrte darauf, das Geld zu bekommen. Ich war natürlich begierig, die Papiere zurückzubekommen …«
»Hatten Sie nachgeprüft, ob von Ihren Rechnungsbelegen überhaupt welche fehlten?« fragte der Inspektor.
»Das war gar nicht nötig, Inspektor«, antwortete Morgan zähneknirschend. »Er tat mir bereits vor zwei Jahren im Webster Club den Gefallen, mir die Belege und Briefe zu zeigen – damals, als wir den Streit hatten. Nein, daran besteht kein Zweifel. Er war schon Spitzenklasse.«
»Was weiter?«
»Er beendete den Anruf am Donnerstag mit einer kaum verhüllten Drohung. Das ganze Gespräch über hatte ich verzweifelt versucht, ihn glauben zu machen, daß ich in irgendeiner Weise seinen Forderungen entgegenkommen würde; denn ich wußte, daß er keine Skrupel haben würde, die Papiere an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen, wenn er erst einmal merkte, daß er alles aus mir herausgeholt hatte.«
»Fragten Sie ihn, ob Sie die Dokumente einsehen könnten?«
»Ich glaube, ja – aber er lachte mich nur aus und sagte, ich würde meine Scheckbelege und Briefe erst dann zu sehen bekommen, wenn er die Summe bis auf den letzten Dollar erhalten hätte. Dieser Schurke war mit allen Wassern gewaschen; er ging nicht das Risiko ein, daß ich ihn hereinlegte, während er gerade die ihn belastenden Beweise herauszog … Ich will ganz offen zu Ihnen sein. Manchmal kam mir sogar in den Sinn, Gewalt anzuwenden. Welcher Mann hätte unter diesen Umständen nicht daran gedacht? Aber Mord zog ich nie ernsthaft in Erwägung – und das aus sehr gutem Grund.« Er hielt inne.
»Es hätte Ihnen überhaupt nichts genutzt«, sagte Ellery freundlich, »weil Sie nicht wußten, wo sich die Dokumente befanden.«
»Genau«, antwortete Morgan mit einem nervösen Lächeln. »Ich wußte es nicht. Was für einen Vorteil hätte mir Fields Tod gebracht, wenn jederzeit die Gefahr bestand, daß diese Papiere zum Vorschein kommen und jemand anderem in die Hände fallen? Ich wäre vermutlich nur vom Regen in die Traufe geraten … Nachdem ich drei Tage lang vergeblich versucht hatte, die Summe, die er verlangt hatte, zusammenzubekommen, faßte ich dann am Sonntag abend den Entschluß, noch eine letzte Vereinbarung mit ihm zu versuchen. Ich ging zu seiner Wohnung und traf ihn dort im Morgenrock an. Er war sehr überrascht und gar nicht besorgt, mich dort zu sehen. Das Wohnzimmer war unaufgeräumt – zu diesem Zeitpunkt wußte ich noch nicht, daß sich Mrs. Russo nebenan versteckte.«
Seine Hand zitterte, als er sich die Zigarre erneut anzündete.
»Wir stritten – oder vielmehr, ich schrie ihn an, während er nur höhnisch lachte. Er wollte sich keinen Einwand und auch keine Bitten mehr anhören. Er wollte die Fünfzigtausend; anderenfalls würde er die Geschichte bekanntmachen – mit allen dazugehörigen Beweisen. Ich geriet immer mehr in Wut. Aber ich ging, bevor ich endgültig die Selbstbeherrschung verlor. Und das war alles, Inspektor – auf mein Ehrenwort.«
Er blickte zur Seite. Inspektor Queen hustete und legte seine Zigarre in den Aschenbecher. Er kramte in seiner Tasche nach der braunen Schnupftabakdose, nahm eine Prise, zog sie tief ein und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Unvermittelt schüttete Ellery ein Glas Wasser für Morgan ein, das dieser auf einen Zug leerte.
»Ich danke Ihnen, Morgan«, sagte Queen. »Und wo Sie schon einmal so offen zu uns waren, seien Sie bitte ganz aufrichtig und sagen uns, ob Sie am Sonntag während der Auseinandersetzung eine Drohung gegen Fields Leben ausgestoßen haben. Fairerweise sollte ich Ihnen vorher mitteilen, daß Mrs. Russo Sie aufgrund einer Äußerung, die Sie in der Hitze des Gefechts machten, des Mordes an Field beschuldigt hat.«
Morgan wurde blaß. In seinem Gesicht zuckte es, und fast schon mitleiderregend starrte er den Inspektor ängstlich mit glasigen Augen an.
»Sie lügt«, rief er heiser. Eine Reihe von Gästen an den Nebentischen blickte neugierig auf, und Inspektor Queen berührte leicht Morgans Arm. Er biß sich auf die Lippe und senkte dann seine Stimme. »Ich habe nichts dergleichen getan. Ich habe Ihnen
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