Der mysterioese Zylinder
Gesicht schneeweiß und verzerrt.
Queen sprang zu ihr hin, sofort zeigten sich Betroffenheit und Besorgnis auf seinem Gesicht. Er hatte die zusammengesackte Gestalt kaum erreicht, als die Türe aufgerissen wurde und Stephen Barry mit wehenden Rockschößen ins Zimmer schoß. Hilda Orange, Eve Ellis und Johnson, der Detective, folgten auf dem Fuße.
»Was in aller Welt haben Sie mit ihr gemacht, Sie Schnüffler!« rief der Schauspieler, während er Queen aus dem Weg schob. Er zog Frances zärtlich in seine Arme, strich ihr die schwarzen Haarsträhnen aus dem Gesicht und flüsterte ihr verzweifelt ins Ohr. Sie stöhnte und sah verwirrt auf, als sie das errötete junge Gesicht so nahe bei sich sah. »Steve, ich – bin in Ohnmacht gefallen«, murmelte sie und fiel in seine Arme zurück.
»Jemand muß etwas Wasser besorgen«, knurrte der junge Mann, während er ihre Hände rieb. Sofort wurde ihm von Johnson ein Glas über die Schulter gereicht. Barry ließ einige Tropfen in ihren Mund laufen, sie würgte und kam langsam wieder zu Bewußtsein. Die beiden Schauspielerinnen schoben Barry beiseite und befahlen den Männern in barschem Ton, das Zimmer zu verlassen. Queen schloß sich brav dem protestierenden Schauspieler und dem Detective an.
»Sie sind ja ein feiner Bulle!« sagte Barry in vernichtendem Ton zum Inspektor. »Was haben Sie ihr angetan? Ihr mit dem typischen Einfühlungsvermögen eines Polizisten auf den Kopf gehauen?«
»Nun, nun, junger Mann«, sagte Queen ruhig, »keine groben Worte, bitte. Die junge Dame hat nur einen Schock bekommen.«
Sie standen da in spannungsgeladenem Schweigen, bis sich die Tür wieder öffnete und die Schauspielerinnen mit Frances in ihrer Mitte erschienen. Barry eilte an ihre Seite. »Bist du in Ordnung, Liebes?« flüsterte er, während er ihre Hand drückte.
»Bitte – Steve – bring mich nach Hause«, schluchzte sie und stützte sich mit ihrem ganzen Gewicht auf seinen Arm.
Inspektor Queen stand etwas abseits, um sie vorbeizulassen. Ein trauriger Ausdruck lag in seinen Augen, als er zusah, wie sie langsam auf den Ausgang zugingen und sich der kurzen Schlange auf dem Weg nach draußen anschlossen.
Sechstes Kapitel
in welchem der Staatsanwalt zum Biographen wird
Inspektor Richard Queen war ein eigenartiger Mensch. Klein und drahtig, mit grauem Haar und dem durch Lebenserfahrung gezeichneten faltigen Gesicht, hätte er als Wirtschaftsboß, als Nachtwächter oder was immer er wollte durchgehen können. Sicherlich würde sich seine unauffällige Gestalt im richtigen Gewand jeder Rolle anpassen können.
Diese rasche Anpassungsfähigkeit demonstrierte er auch in seinem Auftreten. Nur wenige Leute kannten ihn, wie er wirklich war. Für seine Kollegen, auch für seine Gegner, den jammervollen Abschaum der Menschheit, den er dem verdienten Gerichtsverfahren überantwortete, blieb er ein steter Quell der Verwunderung. Er konnte theatralisch sein, wenn er es wollte, oder milde oder wichtigtuerisch oder väterlich oder hartnäckig.
Aber neben all dem besaß der Inspektor, wie es jemand einmal mit übergroßer Sentimentalität ausgedrückt hatte, ›ein Herz aus Gold‹. In seinem Innersten war er friedfertig und sensibel; die Grausamkeit dieser Welt hatte ihm manchen Schaden zugefügt. Es stimmte, daß er sich gegenüber Leuten, mit denen er dienstlich zusammentraf, nie zweimal in der gleichen Weise verhielt. Immer wieder schlüpfte er in eine neue Rolle, eine andere Facette seiner Persönlichkeit. Ihm schien dies sehr vorteilhaft; die Leute konnten sich keinen Reim auf ihn machen, wußten nie, was er sagen oder tun würde und hatten deshalb auch immer ein klein wenig Angst vor ihm.
Nun, wo er sich allein in Panzers Büro befand, wo die Tür fest geschlossen war, wo seine Nachforschungen vorübergehend zu einem Stillstand gekommen waren, trat die wahre Natur dieses Mannes auf seinem Gesicht hervor. In diesem Moment schien es ein altes Gesicht zu sein – körperlich alt, aber alt und weise in geistiger Hinsicht. Der Vorfall mit dem Mädchen, dem er einen solchen Schrecken eingejagt hatte, daß es in Ohnmacht fiel, beschäftigte ihn vor allem anderen. Die Erinnerung an sein verzerrtes, entsetztes Gesicht ließ ihn zusammenzucken. Frances Ives-Pope schien all die Vorzüge in sich zu vereinigen, die ein alter Mann für seine eigene Tochter wünschen konnte. Sie wie unter einem Peitschenhieb zurückschrecken zu sehen, peinigte ihn sehr. Die Erinnerung daran, wie ihr Verlobter sie so
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