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Der Mythos des Sisyphos

Der Mythos des Sisyphos

Titel: Der Mythos des Sisyphos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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macht - oder durch die Stimme, die gleichermaßen Körper und Seele ist. Nach dem Gesetz der Kunst wird alles vergröbert und in Fleisch und Blut übertragen. Müßte man auf der Bühne so lieben, wie man wirklich liebt, müßte man die unnachahmliche Stimme des Herzens verwenden und so schauen, wie man wirklich dreinschaut, dann bliebe unsere Sprache geheimnisvoll und unverständlich. Die Pausen müssen hier hörbar werden. Die Liebe steigert ihren Ton, und selbst die Bewegungslosigkeit wird ein Schauspiel. Der Körper ist König. ist nicht jeder, der es sein will, und dieses zu Unrecht in Verruf geratene Wort umschließt eine ganze Ästhetik und eine ganze Moral. Die Hälfte eines Menschenlebens geht in stillem Gewährenlassen dahin, im Wegblicken und Schweigen. Der Schauspieler dringt hier ein. Er löst den Bann dieser gefesselten Seele, und die Leidenschaften stürzen sich endlich auf die Bühne. Sie sprechen aus allen Gebärden, sie leben nur, im Schrei. So komponiert der Schauspieler seine Gestalten für die Schau. Er zeichnet oder meißelt sie, er schleicht sich in ihre imaginäre Gestalt ein und leiht ihren Phantomen sein Blut. Selbstverständlich spreche ich nur vom großen Theater, das dem Schauspieler die Gelegenheit bietet, sein ganz physisches Schicksal zu erfüllen. Nehmen wir SHAKESPEARE. In diesem Theater führen von der ersten Bewegung an die Rasereien des Körpers den Reigen. Sie erklären alles. Ohne sie würde alles verfließen. König Lear würde nie dem Wahnsinn begegnen ohne die brutale Geste, mit der er Cordelia verbannt und Edgar verurteilt. Es ist richtig so, wenn diese Tragödie sich dann im Zeichen des Wahnsinns abspielt. Die Seelen sind den Dämonen und ihrem Reigen ausgeliefert. Nicht weniger als vier Narren - einer aus Beruf, einer aus Neigung, die beiden anderen aus Qual: vier verwirrte Körper, vier unaussprechliche Gesichter ein und desselben Zustandes.
    Selbst die Ausdrucks-Skala des menschlichen Körpers genügt noch nicht. Die Maske und der Kothurn, die Schminke, die das Gesicht verjüngt und in seinen wesentlichen Zügen sichtbar macht, das Kostüm, das übertreibt und diese ganz auf Sicherheit gerichtete Welt vereinfacht - alles dieses dient nur dem Auge. Durch ein absurdes Wunder vermittelt der Körper uns auch noch die Erkenntnis. Ich würde Jago nur ganz verstehen, wenn ich ihn spielte. Es nützt mir nichts, wenn ich ihn nur höre; ich erfasse ihn nur dann, wenn ich ihn sehe. Von der absurden Figur hat der Schauspieler infolgedessen die Monotonie, diese einzigartige, eigensinnige, zugleich fremdartige und vertraute Silhouette, die er all seinen Helden verleiht.Auch da wieder dient das große theatralische Kunstwerk dieser Eintönigkeit 24 . In dieser Hinsicht widerspricht der Schauspieler sich selbst: er ist derselbe und doch so verschiedenartig und vereinigt in einem einzigen Leib so viele Seelen. Aber das ist der absurde Widerspruch an sich: dieses Individuum, das alles erfassen und alles ausleben möchte, dieser eitle Versuch, dieser ergebnislose Eigensinn. Was sich stets widerspricht, das eint sich trotzdem in ihm. Er steht an jener Stelle, an der Körper und Geist sich treffen und umschlingen, an der der Geist, seiner Niederlagen müde, zu seinem treuesten Bundesgenossen zurückkehrt. sagt Hamlet,

Die Hölle wählen

    Wie hätte die Kirche nicht dergleichen im Schauspieler verurteilen sollen? Sie verpönte in dieser Kunst die ketzerische Vervielfältigung der Seelen, das Schwelgen in Erregungen, den anstößigen Anspruch eines Geistes, der sich weigert, nur ein Schicksal zu leben und sich in sämtliche Ausschweifungen stürzt. Sie ächtete in den Schauspielern die Lust am Gegenwärtigen und diesen Triumph des Proteus, die die Verneinung alles dessen sind, was sie lehrt. Die Ewigkeit ist kein Scherz. Ist ein Geist unsinnig genug, ihr eine Komödie vorzuziehen, dann hat er sein Seelenheil verloren. Zwischen <überall> und gibt es kein Kompromiß. Daher könnte dieser so entwertete Beruf einen unermeßlichen geistigen Konflikt heraufbeschwören. , sagt NIETZSCHE, In dieser Wahl liegt tatsächlich das ganze Drama.
    ADRIENNE LECOUVREUR 25 wollte auf ihrem Sterbebett beichten und das Abendmahl nehmen, aber sie weigerte sich, ihrem Beruf

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