Der Nachbar
Geschichte hineingezogen wird. Ich habe Ihnen die Nachweise gegeben, um die Sie gebeten haben, Inspector. Wenn Sie noch mehr wollen, müssen Sie sich an meinen Anwalt wenden.«
»Mr Rogerson?«
»Ganz recht.«
»Das ist eine interessante Beziehung, Mr Townsend. Wieso ist er bereit, Sie weiterhin zu vertreten? Die meisten Männer in seiner Situation würden dem Mann, der ihnen die Frau ausgespannt hat, nicht verzeihen.«
Townsend antwortete nicht gleich. »Ich bin ein wertvoller Mandant. Martin verdient gut an mir. Laura hatte ihn bereits verlassen. Da hätte er sich doch nur ins eigene Fleisch geschnitten, wenn er mir den Laufpass gegeben hätte.«
Tyler lachte ein wenig. »Aber so vernünftig ist die menschliche Natur nicht. Schon gar nicht, wenn Leidenschaft im Spiel ist.«
Townsend zuckte mit den Schultern. »Alle Leidenschaft, die Martin Laura vielleicht einmal entgegengebracht hatte, war längst erloschen. Es ist nicht leicht mit ihr zu leben, Inspector. Viel zu anhänglich für jemanden wie Martin, der seinen Freiraum braucht. Anfangs mag das schmeichelhaft sein. Da fühlt man sich als Mann begehrt und mächtig. Aber das lässt schnell nach, wenn die Eifersucht anfängt.«
Tyler dachte an seine eigene gescheiterte Ehe. So viel anders war es da auch nicht gelaufen. »Und warum haben Sie ihn als Anwalt behalten?«
»Ich verstehe nicht.«
»Na, Sie hatten ihm doch immerhin Frau und Tochter genommen. War Ihnen da nicht ein bisschen unbehaglich?«
»Warum hätte mir unbehaglich sein sollen?«
»Also, ich möchte keinen Anwalt zum Feind haben.«
Townsend sagte nichts.
»Aber vielleicht ist er gar kein Feind? Vielleicht verbinden Sie beide zu viele gemeinsame Interessen, die ein Zerwürfnis nicht zulassen.«
Townsend lächelte. »Vielleicht.«
»Und was sind das für Interessen? Womit verdient er so gut an Ihnen?«
»Große Bauprojekte.«
»Sie sprechen von Etstone?«
»Richtig.«
»Hm.« Er musterte den Mann einen Moment lang. »Wie kommt es dann, dass Franny Gough mir erzählte, es stünde nicht sehr gut um die Firma? Sie sagte, Sie würden von jemandem bestohlen, und gerieten jedes Mal völlig außer sich, wenn das Thema zur Sprache kommt.«
Der Blick wurde wieder unstet, aber ob die Erwähnung Franny Goughs daran schuld war oder die Bemerkung über den Zustand des Unternehmens, war nicht zu erkennen.
»Es ist kein Geheimnis, dass wir neue Investoren suchen. Darum geht es bei der heutigen Konferenz. Ich habe den Verdacht, dass Steve Ablett und seine Leute kräftig in die eigene Tasche gearbeitet haben. Deswegen war ich gestern bei ihm. Um ihn zu warnen. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass es beinahe mit Sicherheit fristlose Entlassungen und gerichtliche Verfahren geben wird, sobald unsere geschäftliche Lage sich wieder stabilisiert hat.«
Eine merkwürdige Antwort, dachte Tyler.
Verdacht...? Beinahe mit Sicherheit...?
»Haben Sie Ihr Gepäck und Ihre Videokamera bei Ihrer Freundin gelassen, Mr Townsend?«
Der Themawechsel erfolgte so unvermittelt, dass Townsend einen Moment lang wieder seine Sicherheit verlor. Noch eine Frage, auf die er sich nicht vorbereitet hatte. Tyler sah förmlich, wie er zwischen »Ja« und »Nein« schwankte.
»Ja«, sagte er dann.
»Wird der Ehemann der Dame nicht wissen wollen, wem die Sachen gehören?«
»Er ist verreist.«
»Dann haben Sie gewiss vor, auch die kommende Nacht bei ihr zu verbringen. Zumindest werden Sie Ihre Zahnbürste und Ihren Rasierapparat brauchen. Wären Sie einverstanden, wenn einer meiner Mitarbeiter Sie begleitet? Wir brauchen nur die Bestätigung, dass Sie gestern Nacht bei ihr waren... und wenn ihr Mann verreist ist, dürfte das ja kein Problem sein.«
Er schüttelte den Kopf, ohne etwas zu sagen.
»Vielleicht möchten Sie sich mit Ihrem Anwalt beraten?«
Townsend antwortete immer noch nicht. Das Schweigen zog sich in die Länge, und Tyler fragte sich, warum der Mann so fest entschlossen war, Martin Rogerson nicht zu sich holen zu lassen. Wusste er, dass Rogerson gar nicht hier war? Hatte er erraten, dass nicht sein Anwalt zuvor am Handy gewesen war? Oder wollte er vermeiden, dass Rogerson Zeuge seiner Aussagen wurde?
Fünf Minuten verstrichen, bevor Butler in den Konferenzraum zurückkam, und es wäre schwer zu sagen gewesen, bei welchem der beiden Männer die Erleichterung, ihn zu sehen, größer war. Tyler kannte seinen Sergeant gut genug, um zu wissen, dass er ihm durch ein Kopfschütteln die Fruchtlosigkeit einer weiteren
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