Der Nachbar
Vernehmung Townsends angedeutet hätte.
»Mr Ablett meinte, es sei halb zwei gewesen«, berichtete Butler sachlich. Ohne Eile setzte er sich wieder an seinen Platz. »Hier ist eine Anfrage vom Chef«, sagte er zu Tyler und schob ihm einen zusammengefalteten Zettel über den Tisch. »Er erwartet umgehend Antwort.«
Tyler hielt den Zettel hoch, so dass Townsend nichts sehen konnte. ‘Er lügt. Ich muss Sie draußen sprechen.’
»Entschuldigen Sie mich, Mr Townsend«, sagte Tyler, den Zettel einschiebend. »Ich muss Sie bitten, sich noch einen Moment zu gedulden. Es wird nicht lange dauern.«
Townsend wurde ärgerlich. »Das ist wirklich unzumutbar, Inspector. Ich kämpfe hier um die Existenz meines Unternehmens. Diese Konferenz ist lebenswichtig für mich. Wenn die potentiellen Investoren jetzt gehen, kann ich den Laden wahrscheinlich dichtmachen.«
Tyler blieb sitzen. »Sind Sie deshalb so plötzlich aus Mallorca zurückgekehrt?«
»Ganz recht. Martin hat mich angerufen, weil die Bank es ablehnt, für die Löhne aufzukommen. Darum diese Konferenz. Die letzten vierundzwanzig Stunden habe ich nur darum gekämpft, die Firma irgendwie zusammenzuhalten.«
»Warum haben Sie Mr Rogerson nicht von Ihrer Rückkehr unterrichtet?«
»Ich wollte ihn nicht in Schwierigkeiten bringen. Bei Insolvenz treten ja gewisse gesetzliche Vorschriften in Kraft, und er hätte es vielleicht im Interesse der Gläubiger für notwendig gehalten, gleich gestern Konkurs anzumelden.«
Tyler warf Butler einen Blick zu und sah, wie der kaum merklich den Kopf zur Tür neigte. »Warum haben Sie Franny Gough nicht mitgenommen?«
Die blassen Augen funkelten kurz auf. »Sie war betrunken. Ich konnte sie nicht einmal auf die Beine bringen, geschweige denn zum Flughafen.«
»Sie saß völlig auf dem Trockenen. Sie sind abgereist, ohne die Rechnung zu bezahlen.«
»Ich hatte gar keine Wahl. Nach Martins Anruf musste ich fürchten, dass man mir die Kreditkarten gesperrt hatte. Ich riet ihr, sich heimlich aus dem Hotel zu schleichen, ein Taxi zu nehmen und am Flughafen umzubuchen. Dafür hatte sie noch genug Geld. Mehr konnte ich in dem Moment nicht tun. Wenn sie zu betrunken war, um sich das zu merken, ist das ihr Problem.«
Tyler versuchte nicht, seine Skepsis zu verbergen. »Wenn es um Ihre Firma so schlecht steht, wie Sie sagen, wieso sind Sie dann überhaupt nach Mallorca gereist? Warum sind Sie nicht zu Haus geblieben und haben das erst mal in Ordnung gebracht?«
Townsend hatte auf alles eine Antwort. »Ich dachte, ich hätte alles geregelt. Das Problem ist ja nicht plötzlich aufgetaucht. Ich habe Tag und Nacht gerackert, um die Firma am Laufen zu halten. Ende letzter Woche bekam ich endlich die Zusage eines Investors, dass bis Montag eine halbe Million überwiesen werden würde. Ich glaubte, das Ding wäre gelaufen, und fand, unter den Umständen könnte ich mir einen kleinen Urlaub gönnen. Am Donnerstag rief mich dann Martin an und teilte mir mit, dass der Geldgeber einen Rückzieher gemacht hatte und die Bank den Kredit gekündigt hatte. Daraufhin habe ich gestern in aller Frühe den ersten Flug nach Hause genommen.«
Tyler stand auf. »Ich muss Sie trotzdem bitten, sich noch einen Moment zu gedulden, Mr Townsend.«
»Warum?«, fragte Townsend sichtlich wütend.
»Ich finde Ihre Antworten nicht ganz befriedigend.«
Townsend verlor die Beherrschung. Er schlug mit der flachen Hand krachend auf den Tisch. »Dann werden Sie gefälligst bis nach der Besprechung warten. Ich lass mir doch von einem sturen kleinen Beamten mit einem Machtkomplex nicht alles kaputtmachen.«
»Möchten Sie einen Anwalt hinzuziehen, Sir?«
»Ja«, sagte er abrupt, klappte seinen Laptop zu und griff nach seinem Jackett. »Ich werde draußen mit ihm sprechen.«
»Bitte behalten Sie Platz, Mr Townsend. Sollten Sie versuchen, den Raum zu verlassen, bevor der Sergeant und ich wieder da sind, so wird man Sie zur weiteren Vernehmung festhalten und beinahe mit Sicherheit zur nächsten Polizeidienststelle bringen. Inzwischen werden diese Herren hier –« er wies auf die uniformierten Beamten –»Ihnen bei der Kontaktaufnahme mit einem Anwalt behilflich sein.«
»Blödsinn, Inspector«, schnauzte Townsend bitterböse. »Ich will meinen eigenen Anwalt.«
»Ich bedauere, Mr Townsend, Mr Rogerson ist leider nicht erreichbar. Er ist in Haft.«
»Ich hoffe, was Sie da haben, hat Hand und Fuß«, sagte Tyler draußen im Korridor zu Gary Butler, während er sein
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