Der Nachbar
größtenteils bevor sie mit mir zusammenzog. Von Amy gab es nur die drei. Frühere Aufnahmen interessierten sie nicht... es musste immer alles ganz frisch sein, sonst fand sie es langweilig.« Er nahm die Rolex ab und legte sie vor sich auf den Tisch, die gleiche Ungeduld zeigend, die vorher Martin Rogerson an den Tag gelegt hatte. »Wie ich schon sagte, ich bedaure, Sie enttäuschen zu müssen, Inspector.«
Tyler rief sich ins Gedächtnis, dass dieser Mann eine Gewohnheit daraus machte, Frauen zu überreden, sich nackt vor einer Kamera zur Schau zu stellen. Er verstand sich zweifellos darauf, unbequeme Fragen über Vorgängerinnen abzuwehren. Eine Spur Gereiztheit schwang in seinem Ton mit, aber er hatte sich gut im Griff.
Tyler beugte sich vor. »Sie scheinen sehr ungeduldig zu sein«, bemerkte er. »Wie kommt das, Sir? Die Kleine ist vielleicht in tödlicher Gefahr, und Sie sagten doch, Sie wollten helfen.«
Die Reaktion fiel heftiger als erwartet aus. Ein Aufblitzen von Stahl. »Es gibt Leute, die müssen sich ihr Geld mit harter Arbeit verdienen anstatt sich auf den Staat zu verlassen«, sagte er bissig. »Sie halten mich von meinen Geschäften ab. Ich habe Verständnis für die Gründe und habe meiner Bereitschaft Ausdruck gegeben, Ihre Fragen zu beantworten, aber ich wäre doch dankbar für eine gewisse Beschleunigung der Dinge. Was kann ich Ihnen über Amy und Laura sagen, was Martin Rogerson Ihnen nicht schon gesagt hat?«
Tyler machte eine beschwichtigende Handbewegung, als bekannte er sich zu seiner Schuld. »Man hat uns berichtet, dass Amy vor ungefähr zwei Wochen eine Person, die sie ‘Em’ nannte, per R-Gespräch angerufen hat. Haben Sie eine Ahnung, wer diese Person gewesen sein könnte, Mr Townsend?«
»Nein.«
»Vielleicht nehmen Sie sich einen Moment Zeit zum Überlegen. Hat sie in der Zeit, als sie in Ihrem Haus lebte, einmal eine Freundin namens Em oder Emma erwähnt?«
»Nicht dass ich wüsste. Sie hat immer viel und gern erzählt, aber ich habe selten wirklich zugehört. Wenn jemand dazu etwas weiß, dann ihre Mutter.«
Tyler seufzte genervt. »Es ist wichtig, Mr Townsend.«
Townsend drückte unter seiner Nase die Fingerspitzen seiner beiden Hände aneinander und seufzte ebenfalls. »Das ist mir klar, aber es tut mir Leid, ich kann Ihnen da nicht helfen. Amy kam gewissermaßen als Anhängsel ihrer Mutter in mein Haus. Ich war freundlich zu ihr, habe mich ab und zu mit ihr unterhalten, wenn sie bei meiner Heimkehr noch auf war, habe sie ein-, zweimal gefilmt, wie sie gesungen und getanzt hat, und habe, so weit mir das möglich war, für sie gesorgt. Laura wollte aus irgendwelchen sonderbaren Gründen die Unterhaltszahlungen von ihrem Mann nicht annehmen... Sie sprach immer von einem sauberen Schlussstrich, aber ich hatte eher den Eindruck, dass sie Martin eins auswischen wollte. So nach dem Motto, ich komme ohne dich bestens zurecht. Nach sechs Monaten erkannte ich, dass ich für sie nur ein bequemes Sprungbrett aus der Ehe gewesen war. Wir hatten deswegen eine Auseinandersetzung, und am nächsten Abend war sie mit Amy weg. Ich habe von beiden seitdem nichts mehr gehört und gesehen.«
»Die Tatsache, dass sie die Bänder von ihrer Tochter zerschnitten und in Ihrem Wohnzimmer verstreut hat, legt nahe, dass es so ganz schmerzlos wohl nicht war, Mr Townsend.«
Townsend klopfte mit den Zeigefingern leicht an seine Nasenflügel und warf wieder einen seiner flüchtigen Blicke auf Tyler. »Was wollen Sie von mir? Dass ich den Namen der Frau in den Schmutz ziehe? Sie hat gerade ihr Kind verloren. Herrgott noch mal!«
»Wir haben Laura Biddulphs Version gehört. Jetzt würde mich die Ihre interessieren.«
Er senkte einen Moment den Kopf in seine Hände. »Okay, sie war eifersüchtig«, sagte er schroff und blickte auf. »Es war absurd. Sie war aus einer Ehe geflohen, in der der Vater seine Tochter kaum wahrnahm, und war froh und dankbar, einen Mann gefunden zu haben, der Amy liebevoll behandelte. Diese Einstellung hielt sich gerade mal vier Monate. Laura hatte die Kleine immer für sich allein gehabt, als sie mit Martin lebte, und es gefiel ihr gar nicht, als Amy anfing, ihre Zuneigung zu mir zu entdecken. Sie wurde plötzlich wahnsinnig besitzergreifend, nahm jedes Fetzchen Aufmerksamkeit übel, das Amy von mir bekam, insbesondere galt das für die Videos, und beschuldigte mich aus heiterem Himmel, ich hätte mehr für das Kind übrig als für sie. So schleppten wir uns noch zwei Monate
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