Der Nachbar
»Kinderficker« grillen... die Schule mit Brandbomben anzünden... den Coop plündern... den Bullen die Hölle heiß machen. Er zitterte vor Erregung wie ein Hund, der eine läufige Hündin wittert, und die anderen Jungen überschütteten ihn mit Hohngelächter, während er wie Wesley Snipes in
Demolition Man
und
Blade
Karateschläge in die Luft setzte.
»Mann, du bist echt total gestört, Wesley!«
»Hey, du Spinner, was soll das werden, hm?«
Colin Patterson und Kevin Charteris zerrten ihn weg. »Verdammt, jetzt mach mal halblang«, sagte Colin wütend. »Meine Mutter rastet aus, wenn sie dich so reden hört. Die holt sofort die Bullen, kapiert? Das soll ne Demo werden, du Spasti.« Er fühlte sich stark, weil er betrunken war, und es juckte ihn überhaupt nicht, dass dieser Blödmann hackedicht war mit dem ganzen Dreck, den man bei den Dealern kaufen konnte. Wesley war auch an guten Tagen so meschugge wie ein tollwütiger Hund, und normalerweise ging Colin ihm tunlichst aus dem Weg. Aber heute sah die Sache anders aus. Heute brauchten sie, wie Kev behauptete, so einen durchgeknallten Typen, damit er Melanie die Arbeit abnahm.
Wesley versuchte, die beiden Jungen umzustoßen und sich von ihnen loszureißen. »Ihr habt gesagt, dass wir gegen die Vampirperversen Krieg machen«, brüllte er wie ein Kind, das einen Wutanfall hat. »Ihr habt gesagt, dass wir's den Kinderfickern zeigen. Oder war das vielleicht gelogen?«
»Mann, der ist ja überhaupt nicht mehr da«, sagte Colin. »Schau dir doch mal seine Augen an. Wie bei einem beschissenen Zombie.«
Kevin, der einzige von seinen Freunden, der einen gewissen Einfluss auf Wesley hatte, schlang dem Jungen einen Arm um den Hals und drehte ihm das Handgelenk auf den Rücken. »Hältst du jetzt endlich deine blöde Klappe, du Idiot?«, zischte er ihm ins Ohr. »Wenn nicht, kannst du nämlich die ganze Aktion vergessen. Und wir genauso. Col hat recht. Wenn seine Mutter merkt, dass was im Busch ist, wird nichts aus der Demo und aus dem Krieg erst recht nicht. Hast du das jetzt geschnallt? Dann ist der Spaß vorbei... und dich machen sie fertig, weil du alles vermasselt hast.«
Der Irrsinn in Wesleys Augen erlosch so plötzlich wie er aufgeflammt war. Ein friedfertiges Lächeln breitete sich langsam in seinem Gesicht aus. »Ich bin okay«, versicherte er. »Sag nicht noch mal Idiot zu mir, Kev. Ich hab's schon geschnallt. Es ist nur eine Demo.« Sein Gesicht nahm den engelhaften Ausdruck an, von dem sich schon einige Richter hatten täuschen lassen. »Die Vampire sollen bloß wissen, dass wir sie durchschaut haben, richtig?«
»Genau.« Kevin ließ Wesley los, packte seine Hand und zog sie wie zum Gruß in die Höhe. »Los, Col, klatsch ihn ab«, befahl er dem Jüngeren. »Wir sind doch Kumpel, oder?«
»Wird schon so sein«, sagte Colin und empfing einen brennenden Schlag auf die offene Hand. Aber er war nicht so betrunken, dass er nicht das Schnappmesser bemerkte, das Wesley in seiner anderen Hand zwirbelte.
Wohnung 506, Glebe Tower, Bassindale
»Ich muss jetzt gehen«, sagte Constable Hanson zu dem konfusen alten Mann, der in einer verwahrlosten Wohnung im fünften Stockwerk eines der Hochhäuser der Siedlung hauste. »Es tut mir Leid, dass ich nicht helfen konnte.« Schwermut lastete auf ihr wie der Stein des Sisyphos. Wieder ein vergeblicher Besuch, Zeitverschwendung und verlorene Liebesmüh wie all die anderen, die sie an diesem Tag gemacht hatte. Nichts, was sie tat, war von Wert. Sie war eine Nummer... eine kleine Beamtin ohne Einfluss.
Die Luft in der kleinen Wohnung war so abgestanden, als würden Türen und Fenster niemals geöffnet. Hier hockte Mr Derry hinter zugezogenen Vorhängen, die keinen Sonnenstrahl einließen, in ewigem Halbdunkel und fixierte die zuckenden Bilder, die lautlos auf dem Schirm des Fernsehgeräts in der Ecke vorüberzogen, als wären in einer heillos verwirrenden Welt die Seifenopernhelden sein einziger Bezugspunkt zur Wirklichkeit. Die Versuche, ein Gespräch mit ihm zu führen, hatten sie nur tiefer in ihre Depression gestürzt; wenn wirklich ein Fünkchen geistiger Klarheit ihn veranlasst hatte, an diesem Morgen bei der Polizei anzurufen, so war dieses erloschen, sobald er den Hörer aufgelegt hatte.
Er nestelte an seinem Hörgerät. »Was sagen Sie?«
Sie sprach etwas lauter. »Ich muss jetzt gehen.«
»Haben Sie die Burschen gefunden?«
Geschlagene dreißig Minuten lang hatte sie diese selbe Frage immer wieder geduldig
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