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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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meinst?«
    Er zuckte mit den Schultern und kippte seinen Stuhl nach hinten, um sie anzusehen. »Na schön. Wer hat die Kleine denn gesehen? Erzähl mir jetzt bloß nicht, es war dieser total gestörte Wesley Barber, der ständig zugedröhnt ist bis unter die Mütze und sich einbildet, er wär von Aliens auf ein Raumschiff entführt worden, weil sie unbedingt seine Spermabestände anzapfen wollten, um die neue Superrasse zu züchten.« Er lachte über ihr Gesicht. »Versuch du erst mal, ein bisschen vernünftig zu sein, Baby, und lass mich in Frieden essen. Ich hab überhaupt keinen Bock drauf, mich wegen 'ner kleinen Weißen aus besseren Kreisen, die wahrscheinlich sowieso schon tot ist, mit den Bullen anzulegen.«
    Sie schlug ihm mit der Faust auf den Arm. »Aber du musst mitkommen, Jimmy. Wir treffen uns vor der Glebe-Schule. Wenn du nicht mitkommst, fangen die Leute doch sofort an sich die Mäuler zu zerreißen.«
    »Du meinst, die
Frauen
fangen an, sich die Mäuler zu zerreißen«, versetzte er sarkastisch. »Gibt's sonst was Neues? Die tun doch hier den ganzen Tag sowieso nichts andres, als rumzuhocken und ihre Männer durch den Kakao zu ziehen.«
    »Mein Gott, bist du eine Niete!«, sagte sie, um ihn zu ärgern. »Du tust immer so, als ob du Mike Tyson persönlich wärst, aber kaum gibt's Probleme, kneifst du den Schwanz ein und verdrückst dich.«
    »Tja, hm, ich kann mir im Moment keine Probleme leisten.« Er ließ seinen Stuhl wieder nach vorn fallen und stieß mürrisch die Gabel in sein Essen. »Ich hab da 'n paar Deals am Laufen, und die will ich reibungslos durchziehen. Ich hab echt keine Lust, mich von den Bullen einlochen zu lassen, weil ich zwei schwule Pädophile von Haus und Hof gejagt hab.«
    »Herrgott noch mal! Man könnte ja meinen, du hast ne Schwäche für diese Typen.« Sie war um ihren Ruf besorgt. Was würden die anderen sagen, wenn ihr Jimmy sich nicht blicken ließ, nachdem sie überall erzählt hatte, was für ein harter Bursche er war? »Die werden glauben, dass du mit denen im Knast ein bisschen zu enge Bekanntschaft geschlossen hast und sie dir jetzt Leid tun.«
    Jimmy kaute schweigend. Wenn sie ahnte, wie nahe sie der Wahrheit war! Er hatte sich von seinem ersten Zellengenossen gründlichen einwickeln lassen und wurde nicht gern daran erinnert. Der Bursche war Musiklehrer gewesen. Er hatte nur noch ein paar Wochen im Knast gehabt und Jimmy in den drei Wochen, die sie gemeinsam in einer Zelle verbracht hatten, die Notenschrift beigebracht. Er war ein echt genialer Typ gewesen, einer, der sich beim Jazz prima auskannte und mit seiner Stimme fast alle Instrumente nachahmen konnte. Am Ende der dritten Woche produzierte er den Sound zu Jimmys Rap, und Jimmy begann ernsthaft eine Karriere im Musikgeschäft zu planen. Sie waren sogar dabei ein Demoband aufzunehmen. Alles sah gut aus, bis bekannt wurde, dass man den Typen, der ihm ein richtiger Kumpel geworden war, verknackt hatte, weil er es ein paar Jungs an seiner Schule mit der Hand gemacht hatte. Zwei Tage später hatten sie ihm in der Dusche alle Finger gebrochen.
    Jimmy brauchte eine Weile, um darüber hinwegzukommen. Der Wahnsinnstyp hatte versucht, sich im offenen Vollzug durchzumogeln, nachdem er von einer geschlossenen Strafanstalt auf der Isle of Wight hierher verlegt worden war. Er behauptete, er säße wegen Scheckbetrugs, was in seinem Fall, er war ein gebildeter Mann, ganz plausibel klang, aber irgendjemand hatte gequatscht – wahrscheinlich einer von den Beamten –, und er landete im Sicherheitstrakt für gefährdete Insassen. Jimmy sah ihn nie wieder, aber er dachte manchmal an ihn. Von den vielen Typen, die er im Knast kennen gelernt hatte, war er der Einzige, den er wirklich gemocht hatte, und er fand es ziemlich traurig, dass der arme Kerl sich seinen Kick damit verschafft hatte, es anderen Kerlen mit der Hand zu machen, wo doch die meisten es sich lieber machen
ließen
.
    »Sollen sie doch glauben, was sie wollen«, sagte er zu Melanie und stand auf, obwohl er sein Essen kaum angerührt hatte. »Ich hab was Besseres zu tun, als mich bei irgendwelchen kaputten Typen vors Haus zu stellen und rumzubrüllen.«
Glebe-Schule, Glebe Road, Bassindale
    Auf dem Platz vor der Schule lungerten bereits Rudel angetrunkener Jugendlicher herum, die ein Bier nach dem anderen kippten, um sich auf die Konfrontation mit den »Perversen« einzustimmen. Wesley Barber, der sich unter ihnen befand, führte das große Wort: Er werde diese

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